Brasiliens Pfefferschote
Elis Regina
Stand: 10.03.2021, 14:03 Uhr
Elis Regina Carvalho Costa heißt sie mit vollem Namen und kommt am 17. März 1945 im brasilianischen Porto Alegre zur Welt. Nur zwanzig Jahre später ist sie die bestbezahlte Sängerin Brasiliens, weitere siebzehn Jahre später ist sie tot.
Ihre beiden Spitznamen sagen einiges aus über das Temperament der bildschönen Frau: "Furação" (Wirbelsturm) und "Pimentinha" (kleine Pfefferschote). Sie wächst in sehr bescheidenen Verhältnissen auf. Mit sieben Jahren nimmt sie an einer Radio-Show für Kinder teil und singt zum ersten Mal öffentlich. Später erhält sie zwei Jahre Klavierunterricht, doch ein solches Instrument anzuschaffen, ist für die Eltern unmöglich, der Vater ist nur Gelegenheitsarbeiter. In die Radio-Show kehrt sie mit zwölf Jahren zurück, gewinnt die als Gesangswettbewerb gestaltete Sendung und erlangt lokale Bekanntheit. Die nächsten zwei Jahre ist sie jeden Sonntag dabei.
Als Teenager fängt alles an
Noch keine 14, erhält sie ihren ersten Vertrag bei einem anderen Rundfunksender. Die Eltern sind skeptisch, weil Elis noch zur Schule geht, lassen sich aber auf einen Kompromiss ein. Nur wenig später verdient das Mädchen mehr als ihr Vater, was zu immer heftigeren Konflikten führt, je größer ihr Einkommen wird. Sie fälscht ihre Geburtsurkunde, um in Clubs singen zu können. Elis Regina ist noch 15, als sie einen Vertrag über drei Platten bekommt und für die Aufnahmen zwischen Porto Alegre und Rio de Janeiro pendelt. Stilistisch spielt sich das noch zwischen Calypso und Rock ab.
Schließlich zieht sie, achtzehnjährig, mit dem Vater, der gar keine Arbeit mehr findet, ganz nach Rio, die Mutter bleibt mit dem jüngeren Bruder zurück. Auftritte in der legendären Bossa-Kneipe Beco Das Garrafas und in Fernsehshows an der Seite von Jorge Ben und anderen Größen folgen.
Die erste EP
Mit zwanzig gewinnt sie den ersten Preis beim ersten Festival De Música Popular Brasileira von TV Excelsior mit dem Song "Arrastão". Legendär werden ihre Mitschnitte aus den Fernsehshows "O Fino Da Bossa" (1965), wo sie an der Seite von Jair Rodrigues moderiert und singt, und wo junge Talente wie Gilberto Gil Erfahrungen sammeln können. Von nun an geht es steil bergauf mit der Karriere: Startpunkt ist die LP "Elis" von 1966, worauf sich Songs der jungen Nachwuchskünstler Caetano Veloso, Edu Lobo und Milton Nascimento finden, die sie als eine der ersten interpretiert. 1969 bekommt ihr Erfolg durch Auslandstourneen einen internationalen Stellenwert, im gleichen Jahr erscheint ihr berühmtes Album mit Toots Thielemans. Ihre erste Ehe mit dem sechzehn Jahre älteren Produzenten und Bossa-Poeten Ronaldo Boscoli ist nicht einfach, selbst vor laufenden Kameras kriegen sie sich in die Haare. Sechs Jahre dauert die Hassliebe, dann wird die Ehe geschieden. Ihr zweiter Mann, Cesar Maria Camargo, ist das Gegenteil des ersten, ein sensibler, scheuer Pianist. Diese Ehe hält acht Jahre.
Aguas De Março
Elis Regina schwankt permanent zwischen himmelhoch jauchzend und zu Tode betrübt - eine anstrengende Person, sehr leicht aufbrausend. Beruflich jedoch eilt sie von einem Erfolg zum nächsten und jettet um die Welt. Ein Highlight der Siebziger ist ohne Zweifel das Album mit Tom Jobim (1974), ihr Duett von "Aguas De Março" ist eines der schönsten in der Musikgeschichte Brasiliens. Elis' Stimme und ihre Leidenschaft sind beispiellos - live ist das auf einem legendären Mitschnitt aus Montreux von 1979 dokumentiert. Gerne singt sie auch kontroverse Lieder, eckt auch beim Militär an und unterstützt finanziell oppositionelle Intellektuelle. Von alten Chôro-Klassikern bis zur Songwriter-Avantgarde der Clube Da Esquina um Milton Nascimento reichen ihre Adaptionen, in alle Stimmungen kann sie sich hineinfühlen mit einer Ausdrucksbandbreite von zärtlich-intim bis explosiv.
Permanente Angst
Nur eines bekommt sie nie in den Griff: ihre Bühnenangst. Sie fängt an, Kokain zu schnupfen, so heimlich, dass selbst ihre Freunde nichts davon mitbekommen. Am 19. Januar 1982 stirbt sie im Alter von 36 Jahren an einem Cocktail aus Alkohol und Kokain. Spekulationen über einen Selbstmord kommen auf, doch ihr Tagebuch enthält einen Eintrag vom Vortag mit weitreichenden Plänen. Die MPB, die Música Popular Brasileira, hat eine ihrer größten Stimmen verloren. Ihre Kinder haben das musikalische Talent geerbt, Tochter Maria Rita kann seit 2003 an den großen Erfolg der Mutter anknüpfen.
Diskografie (Auszug):
- Viva A Brotolandia (1961, Continental)
- Poema De Amor (1962, Continental)
- O Bem Do Amor (1963, CBS)
- Elis Especial (1968, Philips)
- Elis Regina In London (1969, Philips)
- Como & Porque (1969, Philips)
- ... Em Pleno Varao (1970, Philips)
- Elis (1977, Philips)
- Transversal Do Tempo (1977, Philips)
- Elis, Essa Mulher (1979, Warner)
- Elis Especial (1979, Philips)
- Saudade Do Brasil (1980, Elektra)
- Trem Azul (1982, Som Livre)
- Luz Das Estrelas (1984, Som Livre)
- Elis Ao Vivo (1995, Vlas)