
Derya Yildirim & Grup Şimşek: "Yarin Yoksa" - Anadolu-Rock für die Welt
Stand: 16.03.2025, 00:00 Uhr
Sängerin und Bağlama-Spielerin Derya Yildirim und ihre Grup Şimşek entwickeln auf "Yarin Yoksa" Anadolu-Psych-Rock weiter: mit Vintage Soul und meisterhaftem Recording. Auf kulturpolitische Krisen antwortet die Band mit kluger, moderner Poesie.
Von Łukasz Tomaszewski
"Yarin Yoksa" bedeutet "Was, wenn es kein Morgen gibt?".Der Titel für ihr viertes Album fiel der Band erst ein, nachdem es eingespielt war. Wie so oft bei der Grup Şimşek passierte die Namensfindung kollektiv. Am Flughafen, nach ihrem Studiotermin in New York. Darum sucht man auch vergeblich nach einem Song oder einer Textzeile "Yarin Yoksa". Es sei eher eine Überschrift, erklärt die 30-jährige Musikerin, eine Fortführung ihrer beiden Vorgänger "Dost" 1 & 2, in denen die Band ihre Freundschaft zelebrierte.
Immer zusammen
Derya Yildirim ist die Gemeinschaft extrem wichtig. Wenn sie vom Inhalt der elf Songs erzählt, dann geht es um kollektiven Schmerz und Widerstand, einen gemeinsamen Schaffensprozess mit ihrer Ersatzfamilie Grup Şimşek, deren Mitglieder in Kopenhagen, Südfrankreich und Berlin leben. Jede Probe, jede Tournee ist wie ein Familienfest. Und bei Familienfesten knallen bekanntlich nicht immer die Korken. So steht "Yarin Yoksa" für Melancholie als Grundrauschen, als Sound einer Welt multipler Krisen. Derya Yildirim verspürt immer Trauer, wenn sie Musik macht, sagt sie. Aber diese Trauer verwandelt sie in Kreativität und Empowerment. "Wenn man gemeinsam trauert, kann etwas Großes entstehen, großer Widerstand und große Kraft. Und davon gibt es viel auf diesem Album."
Songwriting auf dem nächsten Level
Das Songwriting erfolgte in zwei Schritten. Zunächst sammelte die Grup Şimşek die Themen. Es sind Lovesongs, wie die locker verträumte Nummer "Cool Hand", aber auch Selbstreflektionen wie der Opener "Çiçek Açıyor". Eine Aufforderung auch mal inne zu halten, nicht immer nur zu schuften, sondern auch die Früchte des bereits Erreichten zu genießen. Auch empowernde Hymnen wie "Dirine Direne" sind dabei, hier werden Missstände wie der Krieg in Nahost, die Situation der Kurden in der Türkei oder der Rassismus in Deutschland benannt. Geschichten aus dem echten Leben, wie Derya Yildirim sagt. In einem zweiten Schritt hat sich Derya Yildirim mit ihrer Cousine Duygu Ağal, einer queer-migrantischen Aktivistin und Schriftstellerin aus Berlin, und der Istanbuler Videokünstlerin Tuğçe Kep zusammengesetzt und die Themen in poetische Verse verwandelt. Jedes Wort muss sitzen, denn nur dann fühlt sie sich wohl in ihren Songs. Dadurch ist die Lyrik der Songtexte auf einem neuen Level, erklärt die Sängerin. Während sie auf dem Vorgängeralbum noch häufiger traditionelle Texte benutzte und eine Brücke zwischen den Generationen schlug, möchte sie diesmal ihre eigene Generation adressieren. "Es geht um mich im Hier und Jetzt. Ich möchte für eine neue Sprache stehen, um die Welt zu erreichen".
Aufnahme in New York
Die Welt erreicht Derya Yildirim auf ihrem neuen Album auch durch einen internationalen Sound. Zur zweiten großen Neuerung des Albums gehört nämlich die Produktion: Bisher hat die Grup Şimşek alles selbst aufgenommen. Diesmal fanden die Recordings im legendären Diamond Mines Studio des Produzenten Leon Michels in New York statt. Hier sind schon Alben der Soul-Sängerin Sharon Jones entstanden. Dementsprechend ist der Klang souliger als bisher.
"Da gab es eine richtige Vision für jedes einzelne Lied. Unser Sound ist auf jeden Fall fetter geworden. Ganz essentieller Unterschied: Drums to the front." Derya Yildirim
From Brooklyn nach HafenCity
"Yorin Yoksa" ist rhythmisch diverser als seine Vorgänger, weniger fragil. Der New Yorker Soundtüftler Leon Michels stand mit seiner Gitarre plötzlich selbst im Studio in Brooklyn: Eine vertrauensvolle Begegnung auf Augenhöhe, die Derya Yildirim und Grup Şimşek zu Effekt-Spielereien einlud und neue Klangwelten entdecken ließ. Erstmals werden alle Instrumentalisten mit der Gesangsstimme auf Tonband und in einem Raum aufgenommen. Die Instrumente immer wieder neu ausgerichtet, um bisher ungekannte Charakteristiken zu entlocken. Das Album Yarin Yoksal ist ein Neuanfang für den es sicher ein Morgen gibt. Bester Beweis: Das Record-Release-Konzert findet im großen Saal der Hamburger Elbphilharmonie statt.
Derya Yildirim, Bremen, 14.06.2025
Datum: | Samstag, 14.06.2025 |
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Ort: | Schwankhalle Bremen Buntentorsteinweg 112/116 28201 Bremen |
Beginn: | 20.00 Uhr |
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