Live hören
Jetzt läuft: Cinema spento von Ana Mena feat. Dargen D'Amico
Sampha:  "Lahai"

"Lahai" - Spirituelle Ahnenreise von den Wurzeln ins Weltall

Stand: 23.10.2023, 00:01 Uhr

Die Erwartungen nach dem gefeierten Debüt waren hoch – und Sampha liefert. "Lahai" ist ein spirituelles Elektronik-Soul Album, auf dem Sampha seine Wurzeln im Afrofuturismus und Space Jazz findet.

Von Marc Mühlenbrock

Sampha hat Zeit gebraucht für Album Nummer 2. Es war vorher Einiges passiert im Leben des zurückhaltenden Londoners. Ein Elektronik-Produzent, der sich erst vors Mikro getraut hat, als sein Kollege SBTRKT ihn dazu überredete. Kaum vorstellbar bei dieser einzigartigen Stimme, die dank seines veritablen Überraschungshits "No One Knows Me Like the Piano" fortan Wohnzimmer weltweit beschallte. Das war im Frühjahr 2017, als auch sein Debüt-Album "Process" erschien, für das er ein halbes Jahr später den Mercury Prize für das beste britische Album des Jahres gewann. Sampha war spätestens da ein gefragter Mann, hat davor und danach mit großen Namen zusammengearbeitet wie Kendrick Lamar, Drake, Alicia Keys, Beyoncé und ihrer Schwester Solange, mit Kanye West oder Frank Ocean. Sie alle wollten seine Stimme oder sein Songwriting.

Sampha: "Lahai"

COSMO 23.10.2023 02:42 Min. Verfügbar bis 22.10.2024 COSMO


Großvater und Tochter

Während der Arbeit an "Lahai" ist Sampha zum ersten Mal Vater geworden, was wohl der schönste Grund für einen Delay in der Produktion ist, und was auch Inspiration für die Texte und den Klang des Albums war. Sampha hätte, so sagt er, neues Leben erschaffen und gleichzeitig eine tiefe spirituelle Verbindung zu seinen Ahnen verspürt. Zum Beispiel zu seinem Großvater Lahai, den er nie kennenlernen konnte, mit dem er aber seit jeher verbunden ist, weil Lahai auch sein eigener zweiter Vorname ist. Der Albumtitel "Lahai" soll diese Verbundenheit dokumentieren, auch in die Zukunft hinein, Sampha Lahai Sisay hatte ja die Ahnenreihe fortgesetzt. Sampha betrachtet das Gestern-Heute-Morgen aber nicht nur von dieser metaphysischen Seite, er ist auch ein echter Wissenschafts-Nerd, der sich in das Phänomen der Zeitreisen eingelesen hat, ist interessiert, ob diese möglich sind oder nicht - "Can't Go Back" ist ein Song, der davon inspiriert ist.

Für Kopf und Seele und die Frauen in seinem Leben

Auch der Sound von "Lahai" ist spirituell. Mit verspielter Electronica und Space Jazz, die sich gut neben dem Neo Soul, den Hip-Hop-Beats und Klavierballaden machen, die Sampha vom ersten Album rübergerettet hat. Es gibt epochale Chöre, vertrackte Rhythmen und plötzliche Richtungswechsel in den Songs – "Lahai" fordert den Kopf, aber die Wärme der Produktion und der Stimme Samphas berühren die Seele. Er hat sich Gesellschaft geholt, hinter den Reglern und am Mikro, das Album feiert anders als sein introvertierter Vorgänger die Community, wie einst Hippie-Soul-Platten von Rotary Connection oder The New Birth aus den 70ern. Vor allem aber feiert "Lahai" die Weiblichkeit. Sampha sagt, er habe so viele wichtige Frauen in seinem Leben, seine Tochter, seine Partnerin, seine verstorbene Mutter, denen er auf dem Album eine Stimme geben wollte – die Stimmen der koreanisch-amerikanischen Elektronik-Künstlerin Yaeji und vom französisch-kubanischen Schwesternduo Ibeyi zum Beispiel. Deren Call-and-Response-Gesang im Stile westafrikanischer Chants im Finale der Single "Spirit 2.0" ist ein Highlight auf dem Album – und ein weiterer Verweis auf Samphas Vorfahren in Sierra Leone.