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Cover des Albums "Strength" von Samory I: Mann mit freiem Oberkörper und geschlossenen Augen hält Kind auf seinem Schoß

Samory I mit dem Album "Strength" - Das Roots-Update

Stand: 10.12.2023, 00:00 Uhr

Kingstons Shooting-Star Samory I hat mit Erfolgsproduzent Winta James ein Album gemacht, das Roots Reggae aktualisiert und Generationen zusammenführt. "Strength" zeigt die ganze Vielfalt und Innovationskraft jamaikanischer Musik.

Von Ellen Köhlings & Pete Lilly

Samory I: "Strength"

COSMO Album der Woche 11.12.2023 02:44 Min. Verfügbar bis 09.12.2024 COSMO


In Reggae-Kreisen ist Samory I schon lange kein Unbekannter. 2017 hat er zusammen mit Rory Stonelove - Mitglied des jamaikanischen Sound-System-Schwergewicht Stone Love Movement - das in der Szene gefeierte Album "Black Gold" veröffentlicht. Ein spirituelles Roots-Manifest, das sich inhaltlich vorwiegend um Samorys Rastafari-Glaube dreht. Für "Strength" hat sich der Sänger jetzt mit einem neuen Produzenten zusammengetan: Winta James. Der hat mit seinen Riddim-Selections Anfang der Zehnerjahre die Aufmerksamkeit aufs Reggae Revival gelenkt und mit Größen wie Damian Marley und Protoje gearbeitet.

Soundwechsel

"Strength" spricht sowohl langjährige Reggae-Heads als auch die neue Generation an. Da Dancehall mit Lyrics über Knarren und sexuell Explizites den Sound in Jamaika bestimmt, wollten Samory I und Winta ein Gegenwicht schaffen - und besonders junge Jamaikaner:innen von conscious Musik überzeugen. Dazu hat sich Samory I für neue Styles geöffnet und seine Stimme in soulige Höhen getrieben. Winta James ist dafür bekannt, Reggae weiterzudenken und mit anderen Genres zu kreuzen. Auf "Strength" sind das vor allem HipHop und R&B. Dabei verbindet er die verschiedenen Styles geschmeidig, immer darauf bedacht, die jamaikanische DNA des Sounds beizubehalten. Samory I und Winta sind beide so weit aufeinander zugegangen, dass ein moderner Sound entstanden ist, der bei allen Experimenten immer nach Reggae klingt - mit tiefen Bässen, mitreißenden Bläser-Fanfaren und sphärischen Dub-Passagen.

Perspektivwechsel

Samory I hat sich auch inhaltlich geöffnet. Er ist nach wie vor der überzeugte Rasta von "Black Gold", wie der Steppers-Tune "Jah Love" zeigt. Im Vergleich zum Vorgänger nimmt er auf "Strength" aber einen deutlich persönlicheren Blickwinkel ein. Samorys markante Stimme berührt - besonders durch ihr oft schmerzerfülltes Klagen. So schickt uns der Sänger auf eine emotionale Achterbahnfahrt durch die Inner Cities von Kingston und lässt tief in sein Herz blicken. In "My Son" behandelt er den tragischen Verlust seines ersten Sohnes. "Blood In The Streets" beschreibt schonungslos die Realität in Kingstons Armenvierteln. Und Samory I weiß, wovon er singt - er wohnt nach wie vor in der Inner City Community Kencot.

Teamspirit

Musikalisch überzeugt die Produktion von Winta James mit ihren elegant vollzogenen Stilwechseln. Unter seiner Leitung haben alle Beteiligten ihr Ego hintenan gestellt. Es geht um das gemeinsame Projekt, nicht um einen einzelnen Musiker. Es geht darum, Reggae für die nächsten Generationen attraktiv zu machen. "Strength" ist im legendären Tuff Gong Studio von Bob Marley in Kingston mit großen Instrumentalisten wie Lamont "Monty" Savory (Gitarre) oder Llamar "RiffRaff" Brown (Keyboards) entstanden. Die Features reichen von Lila Iké, Jesse Royal, Mortimer, Kabaka Pyramid bis Capleton. Bei der Produktion hatte Winta James Sizzlas Klassiker "Da Real Thing" im Kopf. Dahinter braucht sich "Strength" nicht zu verstecken.

Positive Wendungen

Auf "Strength" verarbeitet Samory I schmerzliche Erfahrungen. Doch er zeigt auch, dass man sie verarbeiten und vielleicht sogar überwinden kann. Sei es der Verlust eines Liebsten oder der Einfluss einer von Gewalt geprägten Umgebung. Samory I hat sich gegen die Gewalt entschieden und möchte ein Vorbild für andere sein. Er will zeigen, dass es auch für sie einen Ausweg gibt. Das Album ist seinem zweiten Sohn gewidmet, den der alleinerziehende Vater Samory Strength nennt, weil er ihm Stärke verleiht. Er ist gemeinsam mit seinem Vater auf dem Cover abgebildet. Samory I versteht sich als Stimme der Stimmlosen. Die Songs des neuen Albums vermitteln Hoffnung, Schmerz, Widerstandskraft und vor allem Liebe für seine Mitmenschen. So kann Reggae wieder aus der Nische heraustreten.