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Inna De Yard: "Family Affair"

Der coolste Hinterhof der Welt

Album der Woche: Inna De Yard: "Family Affair"

Stand: 12.06.2023, 00:01 Uhr

Zeitlose Reggae-Klassiker im Akustik-Style. Das ist das unschlagbare Rezept von Inna De Yard. Auf ihrem dritten Album verfeinert das franko-jamaikanische Kollektiv sein Rezept, neu sind Einflüsse aus der Rocksteady-Ära.

Von Adrian Nowak

Inna De Yard: "Family Affair"

COSMO Album der Woche 12.06.2023 02:52 Min. Verfügbar bis 11.06.2024 COSMO


“Stop that train, my baby she’s leaving me now….” Generationen von Reggae-Fans singen seit 1967 den Ohrwurm von Keith & Tex.  Als Teenager haben die Beiden diesen Rocksteady-Schunkler erstmals gesungen - und mit über 70 Jahren touren sie als Reggae-Rentner immer noch mit diesem Ohrwurm um die Welt. Und sie gehören zu Gästen auf „Family Affair“, dem neuen Album von Inna de YarD:

DER HERZSCHLAG VON JAMAIKA

Diese Art von immergrünen Songs als Coverversion zu spielen, ist das Markenzeichen von Inna De Yard. Ihr Sound wird dabei geprägt von den erdigen Nyabinghi-Trommeln. Die Nyabinghi sind eine Untergruppe der Rastafari-Bewegung, bei ihren Zeremonien wird in großen Gruppen getrommelt und dazu singt man im Chor spirituelle Lieder.

Der sich wiederholende Rhythmus ist inspiriert vom menschlichen Herzschlag – manche sagen, er habe eine heilende Wirkung. Bei Inna De Yard mischen Musikschaffende aus Frankreich und Jamaika diesen Rhythmus mit Reggae-Offbeat und akustischen Instrumenten, darunter Querflöte oder Akkordeon.

NYABINGHI ROCKSTEADY

Genau diesen besonderen Sound wollten Keith & Tex nutzen, um Evergreens wie "Tonight" "Stop that train" und "Down the street" neu zu interpretieren. Das Duo wurde in der Rocksteady-Ära Ende der 60er bekannt. Damals entwickelte sich ein melancholischer Schmusesound, die Gesangsgruppen trugen schicke Anzüge, sangen über Herzschmerz und orientierten sich an US-Soulgruppen.

Kurz darauf wurde der rebellische Reggae erfunden und sozialkritische und spirituelle Themen beherrschten das Geschehen. Auf "Family Affair" treffen die Nyabinghi-Welt und die Rocksteady-Welt aufeinander. In den minimalistischen Interpretation von Inna de Yard wird deutlich, welche zuckersüßen Melodien die Rocksteady-Ära hervorgebracht hat. Auch Keith & Tex klingen immer noch so frisch wie zu ihrer Teenagerzeit.

FRISCHE KLASSIKER

Neben Keith & Tex findet sich mit Johnny Osbourne ein weiterer Gigant der jamaikanischen Musikgeschichte auf "Family Affair". Sein Song "Truth And Rights" ist eine der wichtigsten Gerechtigkeits-Hymnen der Insel. Gemeinsam mit Winston McAnuff singt er den Soulklassiker "Baltimore", der in der Version von Nina Simone unsterblich wurde. Mit seinem rau-nasalen Gesang bringt Winston McAnuff das Baltimore-Gefühl nach Kingston. Vieles was man über die US-Ostküstenmetropole sagen kann, trifft auch auf die jamaikanische Hauptstadt zu: "Hard times in the city / In a hard town by the sea / Ain't nowhere to run to / There ain't nothin' here for free".

Der Jamaikaner McAnuff war bei der Produktion das Bindeglied zwischen Jamaika und Frankreich, Der 66-jährige hat lange in Bordeaux gelebt und unter anderem mit dem französischen Akkordeonisten Fixi an außergewöhnlichen Alben zwischen Chanson, Reggae und Soul gearbeitet. Ohne McAnuff wäre Inna de Yard nie enstanden: Er vermittelte Anfang der 2000er den Kontakt zwischen französischen Reggae-Enthusiasten und Urgesteinen wie Kiddus I und Cedric Myton.  Neben den Veteranen sind auch jüngere Stimmen Teil der "Family Affair" . Winston McAnuffs Sohn Kush interpretiert das Rasta-Manifest "Counsel Away" der Black Survivors und Derajah verwandelt Dennis Browns "Africa" zu einem Nyahbinghi-Chant mit Dancehall-Einschlag.

In nur vier Tagen wurde das Album draußen in den Bergen bei Kingston aufgenommen, und die Klassiker der Insel klingen hier frisch wie Morgentau auf den Palmenblättern. "Family Affair" ist eine akustische Detox-Kur voller unvergesslicher Melodien, Vibes und Liebe.