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Haiyti Cover "kings sagen king" - Vogelperspektive auf eine Frau im Sessel mit Fernbedienung in der Hand vor einem großen Fernseher.

Die Dancehall-Connection Haiytis "Kings sagen King"

Stand: 16.06.2024, 00:00 Uhr

Haiyti ist die Ausnahme im Deutschrap. Ihre Kunst ist ihr wichtiger als Klickzahlen. Auf ihrem neuen Album feiert sie ihre Wurzeln in der Dancehall-Kultur mit Trettmann oder Jan Delay: "Kings sagen King".

Von Ellen Köhlings & Pete Lilly

Haiyti: "Kings sagen King"

COSMO Album der Woche 16.06.2024 02:52 Min. Verfügbar bis 16.06.2025 COSMO


Haiyit vereint Kiez und Klunker, Hood und Hollywood. Sie droppt beinharten Gangster-Talk, genauso gekonnt wie sie zarte Poetry säuselt oder Schlagermelodien trällert. Ihre Schule war der Hamburger Kiez, wo sie jede Bar und jeden Club kannte, wo Menschen aus allen Milieus zusammenkamen. Das ist der Stoff, aus dem Haiyti ihre Songs spinnt. Wie in ihren Songs verschmelzen auch in ihrer Biographie die Welten. Ihre Mutter war alleinerziehende Musiklehrerin, die nachts Taxi fuhr. Durch sie begegnete Haiyti schon früh der ein oder anderen Größe aus der Unterwelt. Den Sommer verbrachte sie regelmäßig in Kroatien bei ihrem Vater, der in den 1990ern ein erfolgreicher Musikproduzent war. Dort schnupperte sie am Millionärsleben und flirtete mit der Glamourwelt. All das spiegelt sich in ihrer Musik wider.

Dancehall Roots

Als Teenager stand Haiyti auf Dancehall, graste wöchentlich alle Hamburger Partys ab. Dienstags Dub-Cafe in der Roten Flora, wo sie sich nicht traute, bei den Freestyle-Sessions zum Mic zu greifen, mittwochs Astra-Stube mit Silly Walks, donnerstags Waagenbau zur großen Dancehall-Sause. Die verpasste sie nie und war schnell angefixt vom Gangster-Vibe und den heftigen Outfits, die sie an Dancehall- oder HipHop-Videos erinnerten. Style wird bei Haiyti seit dem schon groß geschrieben. Ihr Vater produzierte ihre ersten Dancehall-Songs, die aber nie veröffentlicht wurden. Diese frühe Phase lässt sie nun auf "Kings sagen King" noch einmal aufleben – im Now-Gewand versteht sich. Schließlich ist sie immer am Puls der Zeit oder besser: ihrer Zeit voraus.

Gemeinsamer Nenner Riddims

Nach einem Konzert in Darmstadt lernt sie Backstage den Dancehall- und Afrobeats-Produzenten DJ Triplet kennen. Der teilt mit ihr eine musikalische Offenheit wie auch eine Dancehall-Fundament. Ihr erster gemeinsamer Coup ist die Single "Sad Boys Weinen", darauf folgt eine Neuinterpretation von Vybz Kartels "Chip Glock". Das ist der Startschuss für ein ganzes Dancehall-Album: "Kings sagen King", das sich von da an ganz organisch entwickelt. Gemeinsam loten sie das Potential von Dancehall aus, wobei sie auf Trends pfeifen. Haiyti steht seit jeher für kompromisslose Kunst.

Offener Vibe

Aus "Chip Glock" entwickelt sich ein ganzes Album mit jamaikanischen Sounds, bei dem Dancehall den Kitt bildet, der Einflüsse aus HipHop, Afrobeats, Trap und Pop zusammenhält. Haiyti und Triplet war es wichtig, ihre vielfältigen musikalischen Ansätze zu reflektieren. Das macht "Kings sagen King" so spannend. Manchmal stecken die Dancehall-Referenzen nicht im Sound sondern in den Lyrics, etwa in dem Gangster-Epos "Blei", das von einem HipHop-Beat getragen wird. Besonders vielschichtig ist der mit Samples gespickte Titeltrack, bei dem DJ Tasha Rozez aus Toronto als MC einen "Pull up" fordert und Vuvuzela-Fanfaren im Hintergrund für Live-Feeling sorgen. Mit Jan Delay und Trettmann sind befreundete Artists an Bord, die den Sound aus Jamaika genauso feiern wie Haiyti. "Die Nacht ruft" mit Jan Delay ist eine fast klassisch anmutende Reggae-Nummer, die mit ihren Trap-Einlagen erfrischend heraussticht. Letztlich bringt es Trettmann im hitverdächtigen "Movie Star" mit der Zeile "Trettmann und Haiyti für‘n Pulitzer" auf den Punkt. Kings sagen schließlich nicht umsonst King zu ihr.