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Cover des Albums "La Comitiva" von Erlend Øye & La Comitiva: Buntes Gemälde von vier Musikern an einem runden Tisch auf einer Terrasse mit Blick auf das Meer

La Dolce Vita des Erlend Øye & La Comitiva

Stand: 26.05.2024, 00:00 Uhr

Der norwegische Kultmusiker Erlend Øye wohnte früher in Berlin, reiste um die Welt und hat sich dann in Italien verliebt. Seit über zehn Jahren lebt er auf Sizilien. Dort gründete er mit drei lokalen Musikern die Band La Comitiva, jetzt erscheint ihr wunderschönes Debütalbum.

Von Philipp Kressmann

Erlend Øye & La Comitiva: "La Comitiva"

COSMO Album der Woche 27.05.2024 02:46 Min. Verfügbar bis 26.05.2025 COSMO


Vor allem in den Nullerjahren führte an Erlend Øye kein Weg vorbei: Mit Kings of Convenience spielte er folkige Songs, mit seinem Projekt The Whitest Boy Alive verknüpfte er Gitarrenmusik mit clubbigen Elementen wie etwa House. Irgendwann bekam Øye einen Tinnitus, hörte deshalb mit lauter Musik auf und zog nach Italien. Dort traf er eines Tages Luigi, Stefano und Marco. Die drei Musiker machten ihn mit der südamerikanischen Musikwelt bekannt und haben Øye anschließend sogar auf seiner Solotour durch Südamerika begleitet. Im Reisegepäck: Gitarren, eine Ukulele und das brasilianische Zupfinstrument Cavaquinho. Das war die Geburt von La Comitiva, eine etwas antiquierte italienische Bezeichnung für die Menschen, mit denen man oft und gerne Zeit verbringt.

Inspiration aus Südamerika

Auf der Tour durch Südamerika entstanden die ersten Lieder des Quartetts. Das erklärt auch, wieso man in vielen Songs Elemente traditioneller Musik aus Brasilien und Bossa Nova-Rhythmen findet. In mehr als einem Lied hört man die Cavaquinho gut raus. Øye ist auch von Los Panchos inspiriert, einem lateinamerikanischen Trio, das in den 1940er Jahren Musik in New York aufgenommen hat. Das schlichte Liebeslied "You And Only You" erinnert mit seinen Harmonien zudem an den mexikanischen Musikstil Bolero. Øye ist ein großer Fan von lateinamerikanischen Sounds, weil sie akustisch und melancholisch, gleichzeitig aber auch lebensfroh und rhythmisch sind.

Melancholie auf Sizilien

Doch natürlich hat dieses Album auch italienisches Flair. Øye singt in zwei Liedern sogar auf Italienisch. In "Matrimonio Di Ruggiero" hört man auch Blasinstrumente, die das Ensemble Stargaze eingespielt hat, das sich auch für Projekte jenseits von Klassik interessiert und auf diesem Album sehr präsent ist. Auch "Paradiso" hat zwar wieder brasilianischen Groove, ist aber ebenso von dem Sänger und Komponisten Bruno Martino inspiriert, einem italienischen Klassiker. Øye singt hier über ein Paradies, wie es die malerische Stadt Siracusa mit ihrer Altstadt und bildschönen Küste ja auch ist. Es geht um seine Heimatstadt, die sich Ende des Sommers allmählich leert, weil es dann viele Menschen wieder in den Norden zieht. Aber Erlend Øye bleibt. Und deshalb durchweht das Lied auch eine subtile Melancholie: Kann man einen so paradiesischen Ort genießen, wenn man alleine ist?

 Grillengesang und Techno auf Saiteninstrumenten

Doch auf diesem Album dominiert nie die Traurigkeit. Stattdessen gibt es mit dem "Lockdown Blues" ein verspieltes und humorvolles Lied über die Abriegelungen während der Pandemie in Italien und viel Raum für musikalische Experimente. In "Marco's Theme", einem der Instrumental-Stücke, hört man zum Teil Grillengesang aus einem Garten. Die Musiker von La Comitiva haben die Geräusche dieser Insekten mit ihren Instrumenten imitiert. Das sorgt für einen eigenwilligen Perkussion-Effekt, während das Stück "Bologna" in einem großen Raum aufgenommen wurde und dementsprechend hallig klingt. Und dann wäre da noch das technisch grandiose "For The Time Being": Die Band spielt hier nur mit akustischen Mitteln einen Techno-Track, dessen Grundgerüst noch aus Øyes DJ-Zeit stammt, in der er unter anderem über House-Instrumentals gesungen und die Nächte mit dem Berliner Musiker Phonique durchgemacht hat. Dieser eklektische Ansatz zeigt, dass Erlend Øye ein musikalischer Freigeist geblieben ist. "La Comitiva" ist ein melancholisch gefärbtes und auch verspieltes Album mit wunderschöner Musik, die Lust auf Italien und den Sommer macht. Grazie per questo!