Cover des Albums "Soma" von Branko: Vier Quadrate auf beigem Hintergrund im Kreuz angeordnet

Postkoloniale Saudade "Soma" von Branko

Stand: 26.03.2024, 14:54 Uhr

Buraka-Produzent Branko hat seiner Heimatstadt Lissabon ein Denkmal gesetzt: Sein Album Soma feiert das bittersüße Lebensgefühl aus farbenfroher postkolonialer Diversität und dem portugiesischen Fernweh-Blues Saudade. Erstmals fast analog.

Von Łukasz Tomaszewski

Branko: "Soma"

COSMO Album der Woche 25.03.2024 02:44 Min. Verfügbar bis 27.03.2025 COSMO


Mit Buraka Som Sistema hat Branko den lusophonen Dancefloor-Sound weltbekannt gemacht. Der Song "Sound Of Kuduro" zusammen mit der britisch-tamilischen Sängerin M.I.A. ging in die Annalen des Global Bass ein. Eine Ära der elektronischen Musik Anfang der Zehnerjahre, die erstmals nicht nach Berlin und Detroit, sondern nach Luanda, Rio und auf die Kapverden schielte. Die urbanen Grooves der ehemaligen portugiesischen Kolonien lieferte das Rohmaterial für die Kids aus der Lissaboner Vorstadt. Aus den Jugendzentren gings schnell auf die großen Bühnen in London, Paris und New York. Überall dort, wo die Kids der Gastarbeiter von gestern keinen Bock auf Weltmusik hatten: Sie wollten ihren eigenen Techno. Er sollte ballern wie im Berghain, aber gleichzeitig die tropische Freshness des Globalen Südens als Markenzeichen in sich tragen. Buraka haben dieses Rezept perfektioniert.

Analoger Deep Dive

20 Jahre lang ist Branko mit Laptop und Kopfhörern um die Welt geflogen und hat seine Beats in den urbanen Melting Pots produziert. Doch nach der Selbstisolation der Pandemiejahre hatte er wieder Lust auf viele Menschen in einem großen Studio

"Lass uns wieder gemeinsam Musik machen. Ich habe das Projekt mit einer dreitägigen Session gestartet: mit einem Haufen Gitarristen, Keyboarder, Perkussionisten. Es war eins diese schönen alten Vintage-Studios in Lissabon." Branko zum Start des neuen Albums

Sein viertes Albums Soma basiert erstmals auf handgemachten Instrumentals. Mit diesen Aufnahmen ist der erfahrene Produzent zu Gastvokalisten gereist, die ein Gespür für den New-Lisbon-Sound haben, zum Beispiel zum Londoner Sänger Jay Prince, der selbst Familie in Portugal hat. Lässig und warm flext der Soulbrother über Brankos perkussive Downbeats. Aber auch lusophone Stars sind bei Branko zu hören.

Zum Beispiel der in den USA lebende June Freedom. Er ist gerade der meistgehörte kapverdisch-stämmige Künstler der Welt. Branko hat als Chef des Indielabels Enchufada die Gabe Talente zusammenzubringen. So ist das Duett "Mood 111" mit June Freedom und dem Lissaboner Sänger Dino d' Santiago entstanden. Im Songtext geht es um einen Typen, der in seinem Nine-to-five-Job ist. Was ihn antreibt durchzuhalten ist am Wochenende seine Dancemoves zu performen. Und die sind natürlich brasilianisch, kapverdisch, angolanisch: Jinga und Tarraxo.

Wie Sommerregen auf Asphalt

Die zwölf Songs auf Soma fühlen sich an wie Sommerregen auf Asphalt: Warm und ehrlich. Mal mit Gospel-Passagen versehen. Einem beeindruckenden Studiosound; von der Finesse der besten Instrumentalisten der Stadt getragen. Dann wieder edgy, mit Breakbeats, Bassrutschen und Effektgestyle gepimpt. Damit bringt Branko seine Clubvergangenheit mit dem neuen Lissabon zusammen. Einer Stadt, deren migrantische Communitys immer hörbarer werden. "Lissabon ist in einer komischen Situation", erzählt Branko im Interview. "Einerseits war es nie so divers und voller Möglichkeiten. Andererseits erlebt es einen verrückten Tourismusboom und wichtige Kulturinstitutionen müssen neuen Hotels weichen. Der Ort trocknet aus, die Stadt bringt sich selbst um." Eine Protestnote gegen diese kulturfeindliche Gentrifizierungswalze ist der moderne Fado "Cinzas" mit der Madredeus-Sängerin Teresa Salgueiro, die auch in Wim Wenders Film Lisbon Story zu sehen ist.

Gegen die Gentrifizierungswalze

Branko hat seinem Lissabon ein Denkmal gesetzt: Soma feiert das bittersüße Lebensgefühl aus farbenfroher postkolonialer Diversität und dem portugiesischen Fernweh-Blues Saudade. Ein gewisser Manu Chao hat das Gefühl zwischen Lebensfreude und Melancholie mal Malegria genannt. Branko hebt die Malegria auf eine neue Ebene.