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Ary Lobo "1958 - 1966"

Besuchen Sie Brasilien! – Kompilation Ary Lobo "1958 - 1966"

Stand: 01.01.2024, 00:00 Uhr

Die Platten von Ary Lobo werden in Global-Pop-Kreisen zu Höchstpreisen gehandelt. Jetzt wird der brasilianischen Forró-Sänger aus den 60er Jahren durch eine Kompilation wiederentdeckt – temporeiche Songs, auf denen Ary Lobo die Schönheit und Lebensfreude im Norden Brasiliens besingt.

Von Anna-Bianca Krause

Ary Lobo hatte kein leichtes Leben. Er stammte aus einer armen Familie in Belém im Norden Brasiliens, verkaufte schon als Teenager Kohle, die von Zügen fiel, und arbeitete als Mädchen für alles auf der Marinebasis seiner Heimatstadt. Und fiel schon damals auf, denn ob beim Streichen oder Reparieren – immer hat er gesungen. Eines Tages nahm ihn sein Chef beiseite und sagte ihm, dass er sein Talent wegwerfen würde, er solle doch endlich an einem Talentwettbewerb teilnehmen. Das tat er und dort lief es so gut für ihn, dass die lokale Radiostation ihn als Sänger anheuerte. So fing alles an.

Die Vorurteile

1955 ging er nach Rio de Janeiro, die Stadt war schon damals eines der großen Zentren der Musikindustrie. Dort war er allerdings erstmal der damals weit verbreiteten Voreingenommenheit gegen Sänger aus dem Norden des Landes ausgesetzt. Es war nahezu unmöglich für ihn überhaupt auch nur mal irgendwo vorzusingen. Als er dann endlich doch durfte, war er so geschwächt und unterernährt, dass seine Stimme versagte. Doch er bekam eine zweite Chance und sang so überzeugend, dass er bald einen Vertrag beim Label RCA Victor bekam. Dort veröffentlichte er seine Lieder über den Nordosten von Brasilien in traditionellen Forró-Rhythmen, wegen denen er zuvor keine Chance bekommen hatte.

Der Erfolg und das Ende

Von 1958 an nahm Ary Lobo jedes Jahr eine LP auf, viele seiner Songs wurden Hits. Er tourte mit Mega-Erfolg durch das ganze Land, liebte es aber auch in Nachtclubs zu singen und dort die Nächte mit reichlich Alkohol durchzumachen. Jetzt war er ein Star und verdiente eine Menge Geld. Doch Ende der Sechzigerjahre ebbte die Forró-Begeisterung ab und Bossa Nova fing an die Massen zu erobern. Ary Lobo zog bis zu seinem Lebensende von Stadt zu Stadt, um noch auftreten zu können. Er starb verarmt am 22. August 1980, davor hatte er sein ganzes Geld für Ärzte und Medikamente ausgegeben.

Die Wiederentdeckung

Samy Ben Redjeb, Macher des Frankfurter Labels Analog Africa, das darauf spezialisiert ist, afrikanische und südamerikanische Perlen aus den 60er und 70er Jahren wieder zu veröffentlichen, hat in Belèm die Songs von Ary Lobo entdeckt – und wurde sofort von ihnen vereinnahmt. Dabei war er eigentlich dort, um eine Kompilation mit brasilianischem Carimbó zusammenzustellen, als er eine LP von Ary Lobo in die Hand gedrückt bekam. Danach war das ursprüngliche Projekt erst einmal auf Eis gelegt – Samy kaufte alles, was er von Ary Lobo finden konnte, weil er von dessen Gesang und der besonderen Energie der Tracks so fasziniert war. Auf "1958 – 1966" hat er – wie es der Titel verspricht – Songs von Ary Lobo aus diesen neun Jahren zusammengestellt, die seine Hochzeit waren.

Brasilien... und mehr

Das Album ist eine Reise durch Brasilien, Ary Lobo singt von der Schönheit und vom Leben in den Städten und Regionen Belém, Recife, Bahia, Seara oder Pará. In anderen Stücken geht es um Religiosität, oft ironisch verpackt, oder um das Ende der Sklaverei in Brasilien. Die Tracks bestechen durch ihre ansteckenden Rhythmen und das Tempo auf dem Album ist meist sensationell hoch. Lobos Gesang und die Perkussion treiben die Melodie vor sich her, nur die Background-Chöre bremsen etwas ab. Auch wenn die Aufnahmen bis zu 55 Jahre alt sind, ist "1958 – 1966" auch heute noch partytauglich und verbreitet unmittelbar gute Laune. Als Samy Ben Redjeb bei der Musikmesse "Porto Musical" in Recife als DJ gebucht wurde, begann er sein Set mit dem Lobo-Song "Movimento da cidade" – und sah innerhalb weniger Sekunden, wie die Menschen anfingen zu singen und zu tanzen.