Adrian Younge: "São Paulo" – Hits aus der Zukunft
Stand: 11.11.2024, 00:01 Uhr
Für gewöhnlich veröffentlichen Artists nach einer langen Karriere ein Best Of. Soul-Producer Adrian Younge macht es andersherum. Sein Album "São Paulo" ist ein Sampler mit den Hits seiner zukünftigen Projekte. Darunter ein Pimp-Musical mit Snoop Dogg, iranischer Befreiungs-Funk und ein dritter Teil der Kult-Reihe "Something About April".
Von Adrian Nowak
Adrian Younge ist einer der umtriebigsten Produzenten der US-amerikanischen Westcoast. Obwohl er 1978 geboren wurde und in den 90ern mit Rap sozialisiert wurde, liebt er den Sound der 60er und 70er und produziert in seinem Linear Labs Studio in Los Angeles ausschließlich analog. Seit 2000 erschafft er Musik, die von altem Jazz, Funk und Blaxploitation-Filmscores inspiriert ist, darunter der Soundtrack zur Marvel-Serie "Luke Cage" oder ein Mafia-Rap-Hörspiel mit Ghostface Killah.
Auf seinem Label "Jazz Is Dead" veröffentlicht er seit 2020 Collabo-Alben mit seinen Idolen: darunter Jazz-Musiker Roy Ayers, die Brazil-Funk-Band Azymuth oder Afrobeat-Drummer Tony Allen. So erscheinen manchmal in einem Jahr bis zu fünf Alben mit Beteiligung von Adrian Younge – doch ihm gehen noch lange nicht die Ideen aus.
Es begann in São Paulo
Einen Vorgeschmack auf kommende Projekte bietet er uns nun auf "São Paulo“, das, anders als der Titel vermuten lässt, kein reines Brazil-Album ist. Allerdings verbrachte Adrian Younge einige Wochen in der brasilianischen Metropole, um den Vibe aufzusaugen und mit Brazil-Musiklegenden zu arbeiten. Dabei traf er die Schauspielerin und Komikerin Samantha Schmütz, die eigentlich nicht als Sängerin bekannt ist. Ihr Lied "Nossa Cor" ist ein erster Vorgeschmack auf das gemeinsame Projekt, ein charmantes Bossa Nova-Album im Stile von großen brasilianischen Stimmen wie Elis Regina und Gal Costa.
Den Einfluss von São Paulo hört man auch auf "Esperando por Você", dass psychedelischen Soul mit portugiesischem Chor-Gesang von u.a. Céu verbindet. Das Lied ist ein Vorgeschmack auf den dritten Teil von Adrian Younges Reihe "Something About April", eine Art Kinofilm zum Anhören. Die ersten beiden Album klangen wie ein Mix aus Morricone, Blaxploitation Soundtracks und Psychedelic Rock. Die dritte Folge dieses Kinofilms zum Anhören wird in Brasilien spielen und komplett auf Portugiesisch gesungen werden.
Von Snoop Dogg bis Morricone
Die Verbindung von Film, Geschichten und Musik ist zentral im Schaffen von Adrian Younge, und so bekommen wir mit dem Lied "Rules Of The Game" einen ersten Vorgeschmack auf sein Projekt "Don't Cry For The Devil" mit Snoop Dogg. Da schlüpft der coolste Kiffer der Welt in die Rolle des Zuhälters Silky Slims und beschreibt in mehreren Songs den Aufstieg und Fall des Pimps. Dazu quietscht der G-Funk-Synthie und Adrian Younge hat sogar ein Orchester aufgenommen. Cineastisch wird es auch auf dem Stück "Human Absence", einem melancholischen Instrumentalstück mit verträumten Streichern und Funky Drums. Das Stück gehört zu seinem Instrumental-Album "Younge“, auf dem er Vorbildern wie Ennio Morricone, David Axelrod, Portishead oder Charles Stepney huldigen wird.
Funky Frauenpower
Besonders stark auf "São Paulo" sind die Beiträge talentierter Frauen, darunter die zarte Soulstimme Alani aus Paris, oder die Frauenrechtlicherin und Sängerin Liraz. Deren Eltern stammen aus dem Iran und Israel. Mittlerweile lebt sie in Tel Aviv. Lieder wie "Farrar Konam" sind von der Frauen-Leben-Freiheit-Bewegung inspiriert. Das gemeinsame Album wird "Azadi" heißen, was auf Farsi "Freiheit" bedeutet. Als Bonustrack gibt es obendrauf ein Funk-Stück mit Laetitia Sadier von Stereolab, das er mit ihr spontan bei einem USA-Besuch aufgenommen hat. "São Paulo" ist mal wieder ein unglaubliches Zeugnis von Adrian Younges unerschöpflichen Tatendrang. Und das Erstaunliche dabei: Die Qualität stimmt immer. All Killer, No Filler.