NRW Trend vom 25.03.2012

Einordnung des aktuellen NRW-Trends

"Der rot-grüne Frauenstil wird belohnt"

Stand: 26.03.2012, 12:34 Uhr

Mehrheit für Rot-Grün und die FDP überraschend im Aufwind - so viel Bewegung war selten in den Umfragewerten. Politikwissenschaftler Jörg Bogumil über den aktuellen NRW-Trend, Piraten auf dem Lande und die Popularität von Hannelore Kraft (SPD).

WDR.de: SPD und FDP legen um zwei Punkte zu, CDU und Grüne verlieren zwei, die Linkspartei einen Punkt, einzig die Piraten bleiben bei fünf Prozent. Wie erklären Sie die teilweise starken Verschiebungen im aktuellen NRW-Trend?

Jörg Bogumil: Man muss ein wenig vorsichtig sein mit solchen Trends. Innerhalb der Lager haben im Wesentlichen keine Verschiebungen stattgefunden. Die SPD profitiert etwas von den Grünen, die FDP legt zugunsten der CDU zu. Man kann immer nur vermuten, was hinter solchen Umfrage-Ergebnissen steckt. Aber ein Trend ist deutlich: Der CDU hat die Debatte um ihren Spitzenkandidaten Norbert Röttgen nicht geholfen. Dass er wahrscheinlich nicht als Oppositionsführer in Düsseldorf zur Verfügung steht, ist sowohl innerparteilich als auch nach außen negativ rübergekommen.

WDR.de: Bei dem Punkt wurde genauer nachgefragt: Dabei ist es zwei Dritteln der Befragten "nicht so wichtig", ob Röttgen sich bereits jetzt auf die Rolle als möglicher Oppositionsführer in NRW oder den Rückzug nach Berlin festlegt.

Bogumil: Aber ansonsten ist in den letzten Wochen an aktuellen Themen nicht viel passiert. Insofern ist es aus meiner Sicht die einzige Erklärung. Wir müssen berücksichtigen, dass wir immer noch eine gewisse Fehlertoleranz in den Umfragen haben. Ein bis zwei Prozent bei tausend Befragten, da ist man schnell dabei zu sagen: "Das ist eine große Veränderung". Aber das können auch einfach Umfragefehler sein. Ich würde bei der allzu intensiven Interpretation dieser Ergebnisse zur Vorsicht mahnen.

WDR.de: Bei aller Vorsicht: Die FDP hat kräftig aufgeholt. Im Saarland fliegt sie krachend aus dem Landtag, in NRW verdoppelt sie ihr Umfrageergebnis – ist das der Faktor Christian Lindner?

Bogumil: Christian Lindner hat schon eine gewisse Aufmerksamkeit in der Presse bekommen. Wir sehen aber am Saarland, dass der Zustand der FDP nicht gut ist. Ich halte die vier Prozent der FDP in NRW schon für relativ optimistisch. Im Moment würde ich schätzen, dass sie nach wie vor kaum eine Chance hat in den Landtag zu kommen. Sie besetzt kein wichtiges Thema und die Piraten ziehen ihr einige Stimmen ab.

WDR.de: Die SPD mit 40 Prozent ist auf einem fast schon historischen Höchstwert. Hannelore Kraft führt die Kandidaten-Beliebtheitsliste mit 57 Prozent an - macht die Spitzenkandidatin ihre Partei stark oder sind es eher klug gesetzte Themen?

NRW Trend vom 25.03.2012

Kraft gewinnt im direkten Vergleich gegen Röttgen

Bogumil: Generell profitiert Rot-Grün in der Summe von den beiden Frauen-Spitzenkandidaten. Sowohl Hannelore Kraft als auch Sylvia Löhrmann (Grüne) kommen relativ sympathisch rüber und haben bei der Steuerung der Minderheitsregierung gezeigt, dass man nicht nur konfrontativ Politik machen kann, sondern auch mit der Opposition. Ich glaube, dieser rot-grüne Frauenstil wird belohnt. Frau Kraft ist populär. Allerdings kann man noch nicht sagen, ob es so weiter geht. Es wird interessant sein, zu beobachten, wie sich die Debatte um die Schulden in NRW weiter auswirkt. Die Wahl ist noch nicht gelaufen.

WDR.de: Rot-Grün hat weiterhin die Pole-Position – trotzdem büßen die Grünen zwei Punkte in der Umfrage ein. Knabbern da die Piraten an den Prozenten?

NRW Trend vom 25.03.2012

Welche Partei hat einen starken Spitzenkandidaten?

Bogumil: Wenn die Grünen auf zwölf bis 14 Prozent kommen, ist das für sie ein sehr gutes Ergebnis hier in NRW. Prinzipiell stimmt es schon: Die Piraten nehmen den Grünen einige Jungwähler weg. Im Saarland haben 25 Prozent aller Jungwähler die Piraten gewählt. Ein Stück weit sind die Piraten nun die Protestpartei. Alle Leute, die unzufrieden mit der etablierten Politik sind, konzentrieren sich jetzt auf diese Partei, unabhängig davon, was sie fordern. Aber auch da würde ich noch zur Vorsicht mahnen: Es ist noch ein langer Wahlkampf. Ich bin gespannt, was passiert, wenn die Piraten ihr Programm vorstellen. Da wird es noch viele kritische Äußerungen zu geben. Im Übrigen ist es nicht so leicht, in Nordrhein-Westfalen auf fünf Prozent zu kommen. Es ist kein rein städtisches Gebiet, wir haben große ländliche Gebiete. Die Piraten müssen es erst mal auf die Reihe bekommen, in allen Wahlkreisen einen Kandidaten aufzustellen.

WDR.de: Hannelore Kraft (SPD) wird nicht müde zu betonen, dass Umfragwerte keine Wahlergebnisse sind. Sieben Wochen sind es noch bis zu den Neuwahlen - wie viel Bewegung ist da ihrer Meinung nach noch drin?

Bogumil: Wenn es keine größeren neuen Themen mehr gibt, dann würde ich von der Stimmung her sagen, dass es für Rot-Grün relativ gut aussieht. Denn ihre Regierungsarbeit in den vergangenen zwei Jahren wird in der Summe von den Wählern positiv gesehen. 51 Prozent stimmen für eine rot-grüne Koalition - das ist ein hoher Wert. Die FDP ist in einem starken Tief. Sollte nur eine der Parteien von FDP, Linke oder die Piraten nicht in den Landtag kommen, dann reicht es für Rot-Grün. Wenn hingegen alle reinkommen, dann wird es eng.

Das Interview führte Jenna Günnewig.