In Deutschland gibt es derzeit Abstiegs-Debatten. NRW ist Sitz vieler energieintensiver Betriebe und die brauchen enorme Mengen an Strom, darunter Chemiewerke, Stahlfirmen, Metallverarbeitungsbetriebe oder Hersteller von Papier und Glas. Der Bedarf wird noch steigen, je stärker sie künftig auf klimaschädliche Brennstoffe wie Öl, Gas oder Kohle verzichten.
Belastung durch die höchsten Strompreise in Europa
Gleichzeitig ist der Strompreis in Deutschland heute schon erheblich höher als etwa in Frankreich, China oder den USA. Damit energieintensive Betriebe ihre Produktion nicht schleichend verlagern - etwa durch neue Standorte im preiswerteren Ausland - oder ganz abwandern, schlägt das Bundeswirtschaftsministerium einen staatlich verbilligten Industriestrompreis vor.
Subventionen von sechs Cent je Kilowattstunde geplant
Der Strompreis für Firmen, die im internationalen Wettbewerb stehen, soll demnach subventioniert werden - auf sechs Cent je Kilowattstunde. Liegt der Strompreis an der Börse darüber, will dann der Staat den Rest übernehmen. Allerdings nicht für den gesamten Bedarf, sondern nur für 80 Prozent - damit die Unternehmen weiter einen Anreiz haben, Energie einzusparen.
Gewerkschaften fordern "Brückenstrompreis"
IG-Metall-Vorsitzender Jörg Hofmann stützt den Entwurf. Er sagte im WDR, ohne staatliche Unterstützung drohe vielen Betrieben in der metallverarbeitenden Industrie das Aus. Der Industriestrompreis sei ein "Brückenstrompreis".
Geschätzte Kosten für den Staat: 25 bis 30 Milliarden Euro
Der staatlich subventionierte Strompreis soll bis 2030 befristet sein. Danach werde nach Berechnungen des Ministeriums genügend günstiger Wind- und Sonnenstrom zur Verfügung stehen. Wie teuer das für den Staat wird, hängt auch von der Entwicklung der Strompreise ab. Aktuell kalkuliert das Wirtschaftsministerium mit Kosten von 25 bis 30 Milliarden Euro.
"Hoffnung auf ein energetisches Schlaraffenland"
"Ein Industriestrompreis würde das Pferd von hinten aufzäumen", warnt Ökonom Stefan Kooths vom Institut für Weltwirtschaft in Kiel. Das Konstrukt schaffe Fehlanreize, es werde kein wettbewerbsfähiger Strom erzeugt, andere Bereiche müssten dabei umso höhere Abgaben zahlen, sagte er dem WDR.
Mit jedem zusätzlichen Prozent erneuerbarer Energien werde die Schwankungsanfälligkeit größer und damit stiegen eben auch die Kosten, so Kooths.
"Konsumenten, Haushalte und andere Industrien leiden"
Das Grundproblem: Es gibt zu wenig Strom in Europa. Durch einen verbilligten Strompreis profitierten zwar rund zehn Prozent der energieintensiven Industrien in Deutschland, doch andere Branchen und die Konsumenten würden darunter leiden, kritisiert Georg Zachmann vom unabhängigen Thinktank Bruegel.
Keine Mehrheit in der Koalition
Bundeskanzler und Sozialdemokrat Olaf Scholz hatte eine solche staatlich finanzierte Preissenkung, wie das Wirtschaftsministerium sie vorschläft, zuletzt abgelehnt - wie zuvor schon Finanzminister Christian Lindner und die FDP.
Stromsteuer senken?
CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann warf Kanzler Scholz vor, bei den Energiekosten-Entlastungen für die Wirtschaft untätig zu sein. Im WDR schlug Linnemann vor, die Stromsteuer ab Oktober zu senken.
SPD-Chef Lars Klingbeil hatte die Bundesregierung aufgerufen, sich rasch über die Einführung eines subventionierten Industriestrompreises zu einigen, sagte er gestern im Sommerinterview von "Berlin direkt" im ZDF. Kritik äußerte er am Stil der Bundesregierung: "Es muss einfach Schluss damit sein, dass man sich um sich selbst dreht", forderte er. "Es muss darum gehen, dass wir die Dinge anpacken, die für die Bürgerinnen und Bürger wichtig sind in diesem Land."