Jugendliche benutzen immer seltener Kondome

Stand: 29.08.2024, 14:17 Uhr

Kondom ja oder nein? Das hat die WHO Tausende weltweit Jugendliche gefragt. Die Antwort ist besorgniserregend.

Die jüngere Generation in Europa greift nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) vor dem Sex immer seltener zum Kondom: Der Gebrauch von Kondomen sei unter sexuell aktiven Heranwachsenden seit 2014 deutlich zurückgegangen, die Rate an ungeschütztem Sex besorgniserregend hoch. Das sagt das WHO-Regionalbüro Europa mit Sitz in Kopenhagen bei der Vorstellung eines neuen Berichts zum Thema. Nur selten Kondome zu nutzen, setze junge Leute einem erheblichen Risiko sexuell übertragbarer Infektionskrankheiten und ungewollter Schwangerschaften aus, warnt die WHO.

Für den Bericht wurden im Zeitraum von 2014 bis 2022 alle vier Jahre jeweils Zehntausende 15-Jährige aus 42 Ländern und Regionen in Europa, Zentralasien und Kanada zu ihrer sexuellen Gesundheit befragt.

Laut Studie sank der Anteil der Jungen, die angaben beim letzten Sex mit Kondom verhütet zu haben, von 2014 bis 2022 von 70 auf 61 Prozent, bei Mädchen von 63 auf 57 Prozent. Fast ein Drittel (30 Prozent) benutzte beim letzten Geschlechtsverkehr weder ein Kondom noch die Anti-Baby-Pille.

Gesamte Grafik anzeigen

Deutsche Jugendliche beim Kondom im Durchschnitt, bei Pille an der Spitze

Deutsche Jugendliche liegen bei der Kondomnutzung im Durchschnitt: Laut Bericht gaben 59 Prozent der sexuell aktiven Jungen und 58 Prozent der Mädchen 2022 an, beim letzten Sex ein Kondom verwendet zu haben. 2014 waren es noch 72 Prozent der Jungen und 68 Prozent der Mädchen in Deutschland gewesen.

Gesamte Grafik anzeigen

Im Vergleich zu den meisten anderen Ländern scheint die Pille in Deutschland deutlich häufiger genutzt zu werden. 47 Prozent der Mädchen haben bei ihrem letzten Geschlechtsverkehr mit der Pille verhütet, weltweit waren es nur 26 Prozent. Insgesamt verwendeten 16 Prozent der Mädchen und 23 Prozent der Jungen aus der Bundesrepublik weder Pille noch Kondom.

Mangelnde Aufklärung ist Teil des Problems

Jan Gentsch, Leiter der Beratungsstelle Pro Familia in Köln, überraschen die Zahlen nicht. Im Distanzunterricht während der Corona-Pandemie sei die sexuelle Aufklärung in den Schulen unter den Tisch gefallen.

"Bei Besuchen in Schulen, stellen wir regelmäßig fest, dass die 14- bis 16-Jährigen erschreckend wenig über den Schutz vor ungewollter Schwangerschaft und vor Geschlechtskrankheiten wissen." Jan Gentsch, Leiter der Beratungsstelle Pro Familia in Köln

Gentsch würden viele Schüler aus dieser Altersgruppe berichten, dass sie bisher keine Sexualkunde gehabt hätten.

Die Daten deuten nach WHO-Angaben auf erhebliche Lücken bei der altersgerechten Aufklärung sowie dem Zugang zu Verhütungsmitteln hin. Die Ergebnisse des Berichts seien bestürzend, aber auch für ihn nicht überraschend, erklärte WHO-Regionaldirektor Hans Kluge.

Die altersgerechte Sexualerziehung werde in vielen Ländern weiter vernachlässigt. Umfassende Sexualerziehung sei der Schlüssel, um allen jungen Menschen die Möglichkeit zu geben, informierte Entscheidungen über Sex in einem besonders verletzlichen Augenblick ihres Lebens - dem Übergang von der Jugend zum Erwachsenenalter - zu treffen, sagte der Hauptautor des Berichts, András Költo von der Universität von Galway. Junge Leute bräuchten dabei nicht nur Informationen, sondern auch sichere Orte, um über Themen wie Zustimmung zum Sex, intime Beziehungen, Geschlechtsidentität und sexuelle Orientierung diskutieren zu können.

Unsere Quellen:

Über dieses Thema berichten wir am 29.08.2024 auch im Hörfunk bei WDR COSMO.