Solingen-Sondersitzung: Tatverdächtiger stellte sich laut Reul nicht

Stand: 29.08.2024, 14:01 Uhr

In einer Sondersitzung beraten zwei Landtags-Ausschüsse über den Solinger Messeranschlag. Zudem soll es einen Untersuchungsausschuss geben. Innenminister Reul nannte neue Details zur Festnahme des Tatverdächtigen.

Von Martin Teigeler

Der Tatverdächtige des tödlichen Messerangriffs in Solingen hat sich laut Innenminister Herbert Reul (CDU) nicht selbst gestellt. Der Mann sei einer Polizeistreife am Samstagabend "verdächtig" vorgekommen, so Reul am Donnerstag in einer Sondersitzung des Integrations- und Innenausschusses im Düsseldorfer Landtag.

Innenminister Reul dankte den Polizei- und Rettungskräften | Bildquelle: dpa

"Deswegen wurde er direkt angesprochen und sofort festgenommen", sagte Reul weiter. Anders als zuvor öffentlich dargestellt, habe "der Täter sich also nicht gestellt". Der Minister lobte die Fahndungsmaßnahmen der Polizei. Der Staat habe hier funktioniert.

Neben Innenminister Reul stellte sich auch Integrationsministerin Josefine Paul (Grüne) den Fragen der Abgeordneten. Paul steht wegen Behördenversäumnissen bei der gescheiterten Abschiebung des späteren Tatverdächtigen politisch unter Druck. WDR-Recherchen zeigen, dass die NRW-Behörden nicht alle Mittel bei der Abschiebung ausschöpften.

Ministerin sieht "ungünstige Zufälle"

In ihrem Eingangsstatement blieb Ministerin Paul bei ihrer Verteidigungslinie, dass die fehlgeschlagene Rückführung des Mannes im letzten Jahr an "dysfunktionalen Verfahrensweisen" zwischen Behörden in Bund und Ländern lag.

Im Fall des mutmaßlichen Solinger Messerangreifers handele es sich um eine "Fallkonstellation, bei der viele ungünstige Zufälle möglicherweise zusammengekommen sein könnten", so Paul. Sie betonte, dass vor der Tat nichts gegen den heutigen Tatverdächtigen vorgelegen habe.

SPD hält Ministerin für ahnungslos

SPD-Fraktionsvize Lisa-Kristin Kapteinat sagte zu Paul: "Wir hätten von Ihnen als Ministerin erwartet, dass sie zu Ihrer Verantwortung stehen." Sie warf ihr "Desinteresse" und "Ahnungslosigkeit" vor. Zu Pauls Kritik an angeblichem Systemversagen sagte sie: "Sie sind doch der Kopf des Systems."

Auch FDP-Innenexperte Marc Lürbke kritisierte Fehler der Asylbehörden, für die Paul zuständig ist. Schwarz-Grün wolle gar nicht abschieben, sagte der AfD-Abgeordnete Markus Wagner.

Es wurden viele kritische Fragen gestellt - insbesondere zu den Umständen der gescheiterten Abschiebung. Die oppositionelle SPD fordert von der schwarz-grünen Landesregierung Aufklärung über jedes Detail von der Vorgeschichte des Mannes bis zum Tatgeschehen in Solingen.

Am Freitagabend waren bei einem Stadtfest in Solingen drei Menschen mit einem Messer getötet worden. Acht Menschen wurden teils schwer verletzt. Mutmaßlicher Täter ist ein 26-jähriger Syrer. Nach Angaben Reuls sind noch drei Verletzte im Krankenhaus in Behandlung.

Die Bundesanwaltschaft ermittelt gegen ihn wegen Mordes und wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in der Terrormiliz Islamischer Staat (IS). Der Tatverdächtige sitzt seit Sonntagabend in Untersuchungshaft.

Der Mann war Ende 2022 über Bulgarien nach Deutschland gekommen und hätte nach den sogenannten Dublin-Asylregeln eigentlich nach Bulgarien zurückgebracht werden müssen.

Am Freitag findet eine weitere Sondersitzung im Düsseldorfer Landtag statt. Dann will Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) die Abgeordneten in einer Plenarsitzung über den Anschlag von Solingen unterrichten. Das Parlament wird in einer Schweigeminute der Opfer gedenken.

Untersuchungsausschuss geplant

Die Regierungsfraktionen von CDU und Grünen im Landtag wollen einen Untersuchungsausschuss zu dem Anschlag einsetzen. Dafür wollen sie auch die Opposition von SPD und FDP einbeziehen, teilten die Fraktionsvorsitzenden Thorsten Schick (CDU) und Verena Schäffer (Grüne) mit. Die Hintergründe des Anschlags müssten lückenlos aufgearbeitet werden.

Über dieses Thema berichten wir im WDR am 29.08.2024 auch im Fernsehen: WDR aktuell, 12.45 Uhr.