Der Wald als Heilmittel – Wildnispädagoge Stefan Alberts setzt auf Perspektivwechsel

Stand: 30.06.2022, 19:28 Uhr

Stefan Alberts ist Wildnispädagoge beim Landschaftsverband Westfalen-Lippe. Er macht den Wald zum Therapieort. Der 58jährige arbeitet in der Hans-Prinzhorn-Klinik in Hemer, einer Klinik für Menschen mit psychischen Erkrankungen.

Von Katja Brinkhoff

Sie gehen im Gänsemarsch hintereinander, mit geschlossenen Augen, setzen Fuß vor Fuß. Sie laufen konzentriert, ruhig, schleichend. Genauso läuft ein Fuchs. Genauso sind Stefan Alberts und seine Patienten unterwegs. Was bringt es, so durch die Natur zu laufen?

Waldtherapeut Stefan Alberts | Bildquelle: WDR/Katja Brinkhoff

„Grübelpausen“, kommt die prompte Antwort. „Wer blind im Fuchsgang durch den Wald läuft, kann über nichts anderes nachdenken als über den Fuchsgang, macht Pause vom Grübeln.“ Die Menschen, die mit Stefan Alberts hier durch den Wald gehen, grübeln viel.

"Der Stress ist weg. Das schafft der Wald."

Sie sind Patientinnen und Patienten in der Hans-Prinzhorn-Klinik in Hemer. Sie sind hier, weil sie psychische Probleme haben, versuchen, eine Sucht loszuwerden, in einer schwierigen Lebenssituation stecken. Der Wald kann helfen, sagt der Wildnispädagoge.

„Wenn ich mit Leuten in der akuten Entgiftung laufe, da ist das Wort übelgelaunt untertrieben. Wenn wir loslaufen, schimpfen die auf alles. Nach 30 Minuten sprechen wir über Urlaub, Freunde. Der Stress ist weg. Das schafft der Wald.“

Im Fuchsgang durch den Wald | Bildquelle: WDR/Katja Brinkhoff

Der 58jährige hat Kfz-Mechaniker gelernt, wurde dann Fachkrankenpfleger und machte die Ausbildung zum Wildnispädagogen. Er hat einen Baukasten voller Übungen, die er seinen Patienten anbietet. Barfusslaufen im Wald, mit geschlossenen Augen einen Weg finden, den Blick für schöne Dinge schärfen.

Viele werden sagen: „Wie banal.“ Der Wildnispädagoge sagt: „Wie erfolgreich.“ Stefan Alberts: „Ich weiß von vielen Patienten, dass sie jetzt öfter in den Wald gehen. Das aufrufen, was sie hier gelernt haben. Das ist ein Anfang von etwas.“

Und was macht der Wald mit ihm? „Er gibt mir Gelassenheit.“ Und dann erzählt der Mann, der die Natur liebt, die Menschen und dazu ein großes Herz hat, dass er Choleriker war, mit Dingen um sich schmiss, wenn etwas nicht klappte. Und heute? „Der Wald gibt mir Gelassenheit. Wenn ich neben einer 200 Jahre alten Birke stehe, weiß ich, wie unwichtig das ist, was vor zehn Minuten passierte.“

Es ist der Blickwechsel, den Stefan Alberts vermitteln möchte. Und dann macht er Halt vor einem Waldstück, dass sich seit dem Wirbelsturm Kyrill die Natur zurückerobert: „Viele sehen hier die zerstörten Bäume. Ich sehe das, was dazwischen wächst - neuer Wald. Es kommt immer auf die Perspektive an.“