Betreuung psychisch erkrankter Ex-Häftlinge soll ausgeweitet werden

Stand: 06.11.2023, 15:25 Uhr

Ein Team der Universitätsklinik für Psychiatrie in Bielefeld-Bethel betreut Straftäter nach der Haftentlassung. Die Projekt gilt als Erfolg. Das NRW-Justizministerium will es nun ausweiten.

Von Joanna Figgen

Gemeinsam ein Fahrrad reparieren oder auch eine Satellitenschüssel montieren - um einen guten Kontakt zu den Ex-Gefängnisinsassen aufzubauen, gehen die Psychiater der Haftnachsorgeambulanz der Uniklinik Bielefeld-Bethel auch schon mal unkonventionelle Wege.

Dr. Carl-Ernst von Schönfeld | Bildquelle: Uniklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Bethel

"Ich habe mich auch mit einem Patienten fürs Fahrradfahren verabredet. Bei der Gelegenheit zeigte er mir, in welche Häuser er eingebrochen war und dann hatten wir eine ganz anschauliche Grundlage über die Delikte zu sprechen", erzählt Carl-Ernst von Schönfeld, Leiter der psychiatrischen Haftnachsorgeambulanz in Bielefeld-Bethel.

Neustart in straftatenfreies Leben

Die psychiatrische Haftnachsorgeambulanz gibt es in Bielefeld-Bethel seit zehn Jahren. Ein Team aus Psychiatern, Sozialarbeitern und Krankenpflegern unterstützt psychisch erkrankte Straftäter nach ihrer Entlassung bei ihrem Neustart in ein möglichst straftatenfreies Leben.

"Es geht darum, dass die Menschen sich etwas aufbauen können. Jemand, der nichts zu verlieren hat, der ist gefährlich. Wenn Menschen aber etwas haben, in soziale Bezüge eingebunden sind, dann reduziert sich die Gefährlichkeit enorm" Carl-Ernst von Schönfeld, Leiter der psychiatrischen Haftnachsorgeambulanz in Bielefeld-Bethel

Faktoren wie die Wohnsituation, das soziale Umfeld und eine Arbeitsstelle seien meist wichtiger als eine grundlegende Psychotherapie.

Landesjustizministerium will Projekt ausweiten

2013 startete das NRW-Justizministerium das Pilotprojekt in drei Städten - in Bielefeld, Langenfeld und Paderborn. Mit Erfolg. Aus dem Justizministerium heißt es dazu: "Diese Form der nachsorgenden Behandlung hat sich bewährt und soll daher aufbauend auf den positiven Erfahrungen aus dem Modellprojekt mittelfristig landesweit eingeführt werden." Derzeit werde ein Konzept zum Ausbau erarbeitet.

Carl-Ernst von Schönfeld hält das für den richtigen Weg. "Die psychiatrische Haftnachsorgeambulanz ist ein Erfolg. Es deutet sich eine ganz erhebliche Reduktion von Rückfällen an. Außerdem ist es so, dass -wenn Rückfälle stattfinden - diese deutlich geringer ausfallen als die Ursprungsstraftat. Ein Beispiel: Wenn ein Bankräuber mit Geiselnahme später nochmal wegen Schwarzfahren auffällt, dann würde ich das persönlich als einen großen Erfolg verbuchen."

85 Prozent aller Insassen leidet an psychischen Erkrankungen

Studien haben gezeigt, dass 85 Prozent aller Häftlinge eine oder sogar mehrere psychischen Erkrankung aufweisen. Dazu zählen Suchterkrankungen, aber auch Persönlichkeitsstörungen oder andere seelische Erkrankungen. Um diese Menschen geht es bei der Haftnachsorgeambulanz - und um die, die eine hohe Rückfallprognose haben.

"In unserem Projekt betreuen wir nur die schweren Fälle. Die leichten Fälle und die mit einer guten Prognose werden meist schon früher entlassen. Wir nehmen nur Endverbüßer - die, die bis zum letzten Tag sitzen müssen." Der Psychiater weiß, besonders auf die ersten zwei Jahre kommt es an. Häufig entscheidet sich dann, ob ehemalige Straftäter nochmal rückfällig werden.