Drei lange Jahre hat es für alle Betroffenen gedauert, bis nun die gerichtliche Aufarbeitung der schweren Vorwürfe beginnt. Im Februar 2021 hatte der Weiße Ring selbst Anzeige erstattet.
Damals hatte er öffentlich gemacht, dass ihr damaliger Leiter der Außenstelle HSK in Winterberg schwer beschuldigt wird. Zunächst hatte sich eine Betroffene gemeldet - im Laufe der nächsten Wochen waren es weitere.
Neun Frauen erstatteten Anzeige
Insgesamt neun Frauen hatten den pensionierten Polizisten angezeigt. Sie waren allesamt Opfer von Straftaten geworden - und hatten sich deshalb an die Hilfsorganisation gewandt. Alle schilderten, dass der damalige Opferbetreuer sie sexuell belästigt, übergriffig behandelt oder sogar vergewaltigt haben soll. Der beschuldigte Mann wies diese Vorwürfe bisher zurück.
Die Staatsanwaltschaft nahm die Ermittlungen auf, ließ sogenannte aussagepsychologische Gutachten anfertigen. Dabei prüft eine Psychologin oder ein Psychologe, ob die Aussagen erlebnisbasiert sind, also ob das Geschilderte wirklich erlebt wurde.
Allerdings stehen nun nicht die Vorwürfe aller Frauen in der Anklageschrift. Einige der angezeigten Taten seien als übergriffig und unangemessen zu werten, aber nicht straffähig, sagte der Arnsberger Oberstaatsanwalt Thomas Poggel.
Angeklagter legt Teilgeständnis ab
Direkt am ersten Prozesstag - der Prozess ist auf mehrere Tage angelegt - schilderte der Angeklagte seine Sicht der Geschehnisse. Danach habe er an den zwei fraglichen Tagen die Frau im Rahmen seiner Tätigkeit für den Weißen Ring betreut.
Weil sie so angespannt gewesen sei, habe er ihr Entspannungsübungen empfohlen. Dabei sei er tatsächlich mit seiner Hand in den Intimbereich der Frau geraten - allerdings schilderte er das quasi als Versehen. Als die Frau bei den Entspannungsübungen nach vorn kippte, habe er sie aufgefangen, dabei sei es passiert.
Über mehrere Minuten sei es ihm nicht gelungen, seine Hand aus dem Intimbereich wegzuziehen, weil die Frau sich nach vorne gebeugt hatte. Den Vorwurf der Vergewaltigung wies er zurück.
Weißer Ring glaubte Anschuldigungen erst nicht
Der Mann war schon einmal beschuldigt worden, sexuell übergriffig geworden zu sein. Zwei Jahre vor den anderen Fällen hatte sich 2019 schon einmal eine Frau an die Opferschutzorganisation gewandt. Doch dort glaubte man der Frau letztlich nicht.
Regeln für Beratung geändert
Der Weiße Ring hatte nach Bekanntwerden der Vorwürfe gegen den Winterberger Mitarbeiter seine Regeln für Beratungen bundesweit geändert.
Danach dürfen Frauen, die Opfer von Sexualdelikten, häuslicher Gewalt oder Stalking geworden sind, nur von Mitarbeiterinnen oder hilfsweise nach dem sogenannten Sechs-Augen-Prinzip, also von zwei Mitarbeitenden, betreut werden.
Es ist nicht der erste Fall von möglicher sexualisierter Gewalt, in den die Opferschutzorganisation verwickelt ist: In Lübeck hatte es im Jahr 2018 Vorwürfe des sexuellen Missbrauchs gegen den dortigen damaligen Außenstellenleiter gegeben. 29 Frauen beschuldigten ihn, übergriffig geworden zu sein.
In dem Gerichtsverfahren wurde der Beschuldigte letztlich rechtskräftig freigesprochen.
Unsere Quellen:
- Landgericht Arnsberg
- Opferschutzorganisation "Weißer Ring"
- eigene Recherchen und bisherige Berichterstattung