Von den vier verurteilten Männern in Münster gehe für einen sehr langen Zeitraum keine Gefahr für Kinder mehr aus, sagte Ewa Bäumer vom Kinderschutzbund Münster unmittelbar nach der Urteilsverkündung im Interview mit wdr.de. Kinderschutz bleibe aber eine riesige Herausforderung für die Gesellschaft, sagt die Münsteranerin. Es sei Aufgabe der Erwachsenen Kinder zu schützen.
WDR: Glauben Sie, dass durch hohe Gefängnisstrafen mit anschließender Sicherungsverwahrung Täter abgeschreckt werden?
Ewa Bäumer: Nein. Das glaube ich nicht, dass sich Täter von Strafen abschrecken lassen. Dafür gibt es auch in der Forschung keine Hinweise. Leider. Im Gegenteil: Die Täter werden immer perfider, sie stellen sich besser auf, nutzen bessere Verschlüsselungen.
WDR: Heißt das, wir sehen hier nur die Spitze des Eisbergs?
Bäumer: Wir müssen uns immer wieder vergegenwärtigen, dass es ein bis zwei betroffene Kinder pro Schulklasse gibt. Das kann man ja hochrechnen.
WDR: Was ist Ihrer Ansicht nach zu tun?
Bäumer: Wir müssen gucken, wie wir all diese Kinder schützen können, die von sexueller Gewalt betroffen sind, und wo die Fälle noch nicht aufgedeckt sind.
WDR: Wie kann das gehen?
Bäumer: Wir brauchen flächendeckend institutionelle Schutzkonzepte, so dass alle Menschen, die mit Kindern arbeiten, ob in Kitas oder Schulen wissen, was sexuelle Gewalt gegen Kinder ist, wie Täter vorgehen, welche Anzeichen es gibt und wie man erkennt, ob ein Kind betroffen ist.
WDR: Eltern, Erzieher und Lehrer versuchen ja auch, Kinder zu sensibilisieren, sodass sie sich gegebenenfalls selbst zur Wehr setzen können.
Bäumer: Dieses sogenannte Empowerment bringt doch kaum was. Das ist auch in diesem Prozess noch mal klar geworden, wie skrupellos Täter sind, und dass sie natürlich nicht darauf achten, was Kinder wollen oder auch nicht wollen, sondern dass sie deren Grenzen überschreiten. Deshalb: Allen muss klar sein, dass Erwachsene die Verantwortung für Kinder haben. Nur sie können Kindern helfen, indem sie Anzeichen wahrnehmen und die betroffenen Kinder ermutigen, sich anzuvertrauen und über die erfahrene sexuelle Gewalt offen zu sprechen.
WDR: Der Prozess hat gezeigt, mit welcher unfassbaren Brutalität die Täter vorgegangen sind. Ist Ihnen schon mal Vergleichbares begegnet?
Bäumer: Nein, in so einer skrupellosen und schamlosen Intensität habe ich das in meiner beruflichen Praxis noch nicht erlebt.
WDR: Frau Bäumer, vielen Dank für das Interview.