Jobturbo für Geflüchtete Lokalzeit OWL 17.04.2024 03:16 Min. Verfügbar bis 17.04.2026 WDR Von Uwe Pollmann

Reportage: "Job-Turbo" für Geflüchtete. Was bringt das wirklich?

Stand: 17.04.2024, 18:19 Uhr

Flüchtlinge sollten schneller und mit weniger Sprachanforderungen eingestellt werden. Dazu hat Arbeitsminister Heil vor einem halbem Jahr einen "Jobturbo" für Flüchtlinge angekündigt. Eine Begleitreportage zeigt, dass das bisher nur mäßig funktioniert.

Von Uwe Pollmann

"Möchten Sie etwas trinken?" Noch etwas leise spricht Nataliia Yurii die Tagesgäste in der Pflegeeinrichtung Mariweiss in Bielefeld an. Sie geht von Tisch zu Tisch, wo etwa 20 Pflegebedürftige Karten oder Mensch-ärger-dich-nicht spielen. Seit Anfang 2024 ist die Ukrainerin hier als Pflegehelferin angestellt. "Ich helfe in der Küche, beim Gehen zur Toilette oder gehe spazieren mit ihnen.“

Auch ohne viel Deutschkurse als Pflegehelferin gefragt

Perfekt deutsch kann die 52-Jährige noch nicht. Aber das macht nichts: Viele hier sprechen ukrainisch oder russisch. Auch eine Pflegeausbildung hat die Geflüchtete nicht. Doch sie hat ihre Mutter bis zum Tod in der Ukraine gepflegt.

Das war für Swetlana Krohmer vom Pflegedienst mit ein Grund sie einzustellen: "Für ihre Tätigkeiten ist ihr Niveau ausreichend. Sie muss sich mit den Leuten unterhalten können und verstehen, was sie äußern.“

Noch vor einem halben Jahr hätte Nataliia Yurii zunächst mehrere Sprachkurse absolvieren müssen, um arbeiten zu können. Das neue Jobturbo-Programm hat das verändert. Das sei gut, meint Krohmer: "Wenn man eine Sprache einfach nur in der Schule lernt, dann hat man vielleicht die Grammatik oder so." Bei der Arbeit aber lerne man "im direkten Kontakt“.

Ukrainischer Flüchtling wird schnell zum gefragten Buchhalter

Vitalii Makohon arbeitet jetzt als Buchhalter | Bildquelle: Uwe Pollmann / WDR

Ähnlich ist das bei Vitalii Makohon, der seit Februar beim Hausgeräteservice Windhorn in Bielefeld arbeitet – als Buchhalter. Er überprüft Ein- und Ausgänge von Waren. Eine Arbeit, die der studierte Finanzfachmann auch in der Heimat gemacht hat: "Es ist ein bisschen anders als in der Ukraine. Aber die Kollegen sind nett, die erklären mir alles, was ich nicht verstehe."

Auch der 35-jährige Geflüchtete hätte für den Job eigentlich noch mehr Deutsch lernen müssen, bevor er vermittelt wird. Mit dem Jobturbo-Programm kam er schneller in den Betrieb. Zwar war sein Chef Frank Windhorn erst skeptisch, dann aber positiv überrascht: "Gerade bei dem Job hier ist er viel im Betrieb unterwegs, muss viel mit den Leuten reden, und das funktioniert sehr, sehr gut.“

Viele Unternehmen sind aber noch skeptisch

Wie Makohon sollen mehr Flüchtlinge rasch in Arbeit kommen. Über 4.500 betrifft das allein in Bielefeld. Auch Geflüchtete aus den acht stärksten Asylherkunftsländern wie Afghanistan, Iran, Irak oder Syrien. Aber viele Firmen sind trotz Interesse noch zurückhaltend, sagt Marc-Sebastian Alex, Jobcenter-Chef in Bielefeld: "Die Resonanz ist grundsätzlich positiv." Die Unternehmen würden die Flüchtlinge beim Praktikum kennenlernen: "Sie sind allerdings noch ein bisschen skeptisch im Moment, was die Einstellungszusagen anbelangt.“

Marc-Sebastian Alex will Geflüchtete in Unternehmen bringen | Bildquelle: Uwe Pollmann / WDR

Auf die Frage, wie viele Menschen denn seit Oktober mehr in Arbeit kamen, antworten die Jobcenter aber noch ausweichend. In Bielefeld liegen noch keine Zahlen vor. Im Jobcenter des Kreises Lippe heißt es, 52 Prozent der in Frage kommenden Geflüchteten seien "in Erwerbstätigkeit, Ausbildung oder Schule“. Ähnlich antworten die Jobcenter der Kreise Herford und Paderborn. Man sei "engmaschig" im Kontakt mit den Menschen und biete auch für die Wirtschaft viele Jobmessen und Informationsveranstaltungen an.

Deutsch als Stolperstein bei der Jobsuche für Geflüchtete COSMO 22.04.2024 04:53 Min. Verfügbar bis 23.04.2025 COSMO

Geflüchteten Menschen dabei helfen schnell einen Job zu bekommen. Das versucht die Bundesagentur für Arbeit aktuell mit einer Jobmessen-Woche. Und vermittelt dabei oft Jobs, für die es nur Basis-Deutschkenntnisse braucht. Viele Geflüchtete würden jedoch gerne in ihren eigentlichen Jobs weiterarbeiten - dafür bräuchten sie aber mehr Zeit zum Deutsch lernen. Und das setzt einige von ihnen doppelt unter Druck.

Job-Turbo beginnt jetzt zu wirken

Der am 18. Oktober 2023 von Arbeitsminister Hubertus Heil bekannt gegebene "Job-Turbo" beginne zu wirken, sagte auch jüngst der Bundesbeauftragte für die Integration von Geflüchteten in den Arbeitsmarkt, Daniel Terzenbach: "Wir haben im März 2023 rund 2500 und im März 2024 schon weit über 5000 Ukrainerinnen und Ukrainer in Arbeit gebracht." Und das bei mehr Arbeitslosen insgesamt. Auch aus anderen Asylherkunftsländern sei die Beschäftigung gestiegen.

Bürokratie bremst Geflüchtete auf dem Arbeitsmarkt | Bildquelle: dpa / Lando Hass

Allerdings mahnen Beratungseinrichtungen zu Geduld. Agim Ibishi, Leiter der Diakonie-Migrationsberatung im Kreis Herford, lobt den "Job-Turbo“, warnt aber davor, dass Fachkräfte zu schnell in den Niedriglohnsektor getrieben werden: "Man sollte auch schauen, welche Ressourcen sind vorhanden, diese Person erst einmal zu einer Fachkraft werden zu lassen." Das könne auch der Wirtschaft hier helfen.

Ibishi kritisiert aber auch die Behörden hierzulande, die viele schnelle Einstellungen verhindern, weil Dokumente wie etwa Zeugnisse nicht schnell genug anerkannt werden. Er habe schon oft erlebt, dass dadurch Einstellungen nicht zustande kamen, so der Berater.

Hier brauchen wir einen Behörden-Turbo. Agim Ibishi,
Leiter Diakonie-Migrationsberatung

Bielefelds Jobcenter-Chef Marc-Sebastian Alex nimmt derzeit wahr, dass vor allem eher kleinere Firmen bereit sind, Flüchtlinge zu übernehmen. Er macht aber deutlich: Die Jobcenter bieten allen Betrieben Hilfen an. Es gebe auch im Job noch die Möglichkeit "eine höhere Qualifikation" zu erreichen.

Das strebt auch Vitalii Makohon an, er besucht weiterhin Sprachkurse, er will bald perfekt deutsch sprechen. Und Nataliia Yurii will sich in der Pflege fortbilden, um mehr pflegerische Arbeiten übernehmen zu können.

Unsere Quellen:

  • Jobcenter Bielefeld, Lippe, Herford, Paderborn
  • WDR-Reporter vor Ort
  • dpa