WDR: Laetitia, wie geht es dir heute ?
Laetitia Lippe: Heute geht es mir definitiv besser als vor acht Jahren. Ich habe gelernt, mit Essen umzugehen und es in meinen Tagesablauf einzubauen. Trotzdem würde ich klar sagen – wer jemals mit Magersucht zu tun hatte, den wird es das ganze Leben lang begleiten. Ich mache mir heute immer noch Gedanken ums Essen und um meine Figur. Vielleicht nicht mehr ganz so extrem wie früher, aber die Gedanken sind da.
Laetitias langer Weg
Als Jugendliche erkrankte Laetitia Lippe aus Olpe an Magersucht. Mit 14 musste sie sogar für sechs Monate in eine Klinik. Heute, acht Jahre später, hat die junge Frau ihre Krankheit weitgehend unter Kontrolle.
WDR: Wie hast Du die Magersucht damals empfunden ?
Lippe: Das Leben stand sozusagen still. Ich hatte das Gefühl, dass ich alles andere in meinem Leben ausgeblendet habe und nur das Essen mich und die Schule in den Fokus gesetzt habe.
Das Abwiegen von Essen, das Morgendliche auf die Waage stellen, das Gewicht kontrollieren – die ganzen Gedanken drehen sich um nichts anderes. Man kann nicht in den Spiegel gucken, ohne dass man sich akzeptiert, ohne dass man irgendwo wieder eine Speckfalte sieht, die vielleicht gar nicht existiert – so ein Körperhass irgendwie.
WDR: Gab es einen Auslöser für deine Magersucht ?
Lippe: Ich kann aus heutiger Sicht nur sagen – es gibt nicht nur einen Auslöser. Es sind multikausale Auslöser. Ganz viele Puzzleteile des Lebens, die sich dann zusammenfügen können und zu so einer Krankheit entstehen und bei mir war es zum Beispiel dieser Leistungsdruck, den ich mir selber gemacht habe. Höher, schneller, weiter, Perfektionismus.
Magersucht beginnt definitiv im Kopf. Dieses psychische Problem oder diese Thematik startet im Kopf und das nicht essen ist meiner Meinung nach nur ein Ventil - es ist ein Hilfeschrei auch wenn man das selber nicht als Hilfeschrei wahrhaben möchte - aber es beginnt im Kopf und auch heute begleitet mich das jeden Tag .
WDR: Du musstest für sechs Monate in eine Klinik. Wie hast Du die Zeit empfunden ?
Lippe: Die Zeit bestand aus Höhen und Tiefen, aus Fortschritten und erneuten Rückschritten, aus Selbstzweifel und Selbsthass. Aber eben auch aus unfassbar viel Liebe und Zusammenhalt innerhalb meiner Familie.
Es gab auch einen prägenden Moment mit einem Patienten gleicher Erkrankung. Er hatte sich zu meiner Aufnahme bereits zu einem Normalgewicht gekämpft und ist bei jedem morgendlichen Wiegen voller Freude über die Zunahme wieder in sein Zimmer zurückgekehrt. Er hat mich mit Worten gestärkt und mir einen Antrieb gegeben. Ich habe ihn bewundert und bin mir bis heute sicher, dass er damals mit ausschlaggebend war, dass ich mich nach Magensonde, Rollstuhl und Schulverbot endlich zum Essen entschieden habe.
Das Interview führte Elisabeth Konstantinidis.
Über das Thema berichtet der WDR auch im Fernsehen in der Lokalzeit Südwestfalen.