Prozess um misshandelte Flüchtlinge in Siegen gestartet

Stand: 08.11.2018, 14:04 Uhr

  • Skandal in Burbacher Flüchtlingseinrichtung
  • Demütigungen im "Problemzimmer"
  • Zunächst Prozess gegen 29 der 38 Angeklagten

Von Wolfgang Schneider

Die 1. Große Strafkammer des Landgerichts Siegen verhandelt seit Donnerstag (08.11.2018) im Kongresszentrum Siegerlandhalle wegen der Demütigung und Misshandlung von Flüchtlingen in Burbach. Zu Prozessbeginn wurde das Verfahren gegen einen der Angeklagten abgetrennt, weil ihm die Ladung zu spät zugestellt worden war.

Somit müssen sich im aktuellen Verfahren noch 29 der 38 Angeklagten verantworten. Oberstaatsanwalt Christian Kuhli wirft ihnen 54 Fälle von Freiheitsberaubung, Körperverletzung, Nötigung und Diebstahl in der Burbacher Notaufnahme-Einrichtung vor. Die Übergriffe haben laut Anklage in wechselnder Tatbeteiligung zwischen Dezember 2013 und September 2014 stattgefunden.

In "Problemzimmern" eingesperrt und misshandelt

Drei Wachleute sollen einen Flüchtling so massiv geschlagen und getreten haben, dass er erheblich verletzt wurde. Eine ärztliche Behandlung sei zunächst verweigert worden.

In einem anderen Fall wurde ein Flüchtling laut Anklage für eine halbe Stunde an einen Laternenmast gefesselt. Einem anderer Bewohner der Notaufnahmeeinrichtung sollen Wachleute Handschellen angelegt und ihn dann getreten haben. Angeklagt ist auch ein Fall, in dem ein Bewohner, der im Zimmer geraucht hatte, von einem Wachmann ohne Vorwarnung Pfefferspray ins Gesicht gesprüht bekommen habe.

Der wohl krasseste Fall ist der des Flüchtlings, der in einem der sogenannten "Problemzimmer" so mit Faustschlägen traktiert worden sein soll, dass er sich übergeben musste. Danach wurde er von Wachleuten gezwungen, sich in das Erbrochene zu legen, so die Anklage, und wurde dabei mit dem Handy gefilmt. Das kurze Video gelangte später an die Öffentlichkeit. 

Burbach-Prozess um misshandelte Flüchtlinge: Angeklagter belastet Polizei 02:40 Min. Verfügbar bis 30.12.2099

Heimleitung, Sozialbetreuung, Wachdienst, Bezirksregierung

Die meisten Straftaten sollen Mitarbeiter der Heimleitung sowie Teamleiter der Sozialbetreuer verübt haben. Angeklagt sind auch zwei Mitarbeiter der Bezirksregierung Arnsberg, die von den "Problemzimmern" gewusst haben sollen. Die übrigen Angeklagten waren Wachleute.

Weitere Prozesse gegen die übrigen Angeklagten

Für das Verfahren sind 23 Verhandlungstage bis Mai 2019 angesetzt. Zu einem späteren Zeitpunkt wird es ein oder mehrere Gerichtsverfahren gegen die übrigen neun Angeklagten geben. Zwei sind kurz vor dem aktuellen Prozess erkrankt. Sechs Angeklagte sollten ohnehin ihren eigenen Prozess bekommen, weil sie Geständnisse angekündigt haben.