Es ist zugig und kalt in der Lagerhalle in Billerbeck im Münsterland. Aber zwischen den Hochregalen weht der Wind von Aufbruchstimmung und unglaublicher Hilfsbereitschaft dagegen an. Die Menschen der Billerbecker "Elterninitiative Malyn-Hilfe" können es selbst nicht fassen: Sie haben in wenigen Tagen zehn Tonnen Hilfsgüter gesammelt.
"Wir waren geschockt, als wir den Hilferuf aus unserer Partnerstadt bekamen", sagt Marco Lennertz von der Billerbecker Initiative. Lennertz konnte nicht glauben, dass es in Malyn in der Nähe von Kiew neben Winterkleidung auch an Lebensmitteln mangelt.
Jetzt steht er zwischen Unmengen an Nahrungsmitteln und strahlt: "Viele Billerbecker haben die Sachen tatsächlich zielgerichtet eingekauft."
Winterhilfe von null auf hundert
In der großen Lagerhalle stapeln sich auch Generatoren bis unter die Decke. Mittendrin steht Anita Styler. Sie ist eine von so vielen Freiwilligen, die mit anpacken. Dicke, warme Jacken, Decken, Hosen, Schuhe - alles wird sortiert und in Paketen konfektioniert.
"Das ist ganz toll", fasst sie das Wir-Gefühl der Initiative und den Menschen in Malyn zusammen. Dann muss sie zur Seite springen: Der vollbeladene Gabelstapler hat kaum Platz, um durch die Halle Richtung Lkw zu surren.
Der nächste Lastwagen ist schon randvoll. Marco Lennertz weist den Staplerfahrer Richtung Lkw ein. Dietrich Dirks ist am Steuer geübt. Dem Unternehmer gehört die Halle.
Nach dem Hilferuf aus Malyn hat Dirks seine Räumlichkeiten sofort zur Verfügung gestellt: "Das Gute daran ist, dass wir selbst die Sachen direkt rüberbringen", betont er - weil die Sachen dann auch wirklich sicher am Ziel ankommen.
Da hat er auch schon abgeladen und den Rückwärtsgang eingelegt - die nächste Palette holen. Geplant war die Hilfsfahrt in die Ukraine zuerst mit einem Lkw. Jetzt sind es vier.
Eine Mammutaufgabe
Das Handy von Marco Lennertz klingelt. Wie so oft in diesen Tagen. Er versucht die ganze Aktion zu koordinieren. Irgendwie. Das ist unglaublich viel Organisation: Zollpapiere, Genehmigungen, Packlisten.
Zu seiner eigentlichen Arbeit kommt der Versicherungsfachmann im Moment kaum: "Im nächsten Leben werde ich Logistiker, das ist Fakt!", sagt er - und versucht trotz der bürokratischen Hürden zu lachen.
Dann steckt er das Bild einer Friedenstaube auf ukrainischer Flagge hinter die Windschutzscheiben der Lastwagen. Am Dienstagfrüh soll es für ihn und die anderen drei Fahrer aus Billerbeck losgehen.
Letzte Hürde: Grenze
Die 1.800 Kilometer seien nicht das Problem. Kontrollverschärfungen an der ukrainischen Grenze führen im Moment zu stundenlangen Wartezeiten. Manchmal werden daraus Tage. Die Bestimmungen haben sich verschärft seit der ersten Fahrt im letzten Winter von Billerbeck in die Nähe von Kiew.
Aber sie sind überzeugt, dass sie auch das schaffen werden - weil sie wissen, warum sie es tun: "Als wir im Januar dort waren, waren wir sehr ergriffen. Man kann sich von hier aus die Not der Menschen gar nicht vorstellen. Man muss es selbst gesehen und erlebt haben."