Weltklima und Proteste - Union: "Klima-RAF" darf es nicht geben

Stand: 07.11.2022, 10:07 Uhr

In Sharm El-Sheikh in Ägypten tagt seit Sonntag die Weltklimakonferenz COP27: Zentrales Thema: Wie die Erderhitzung ausgebremst werden kann. Derweil sorgen in Deutschland Stimmen aus CDU/CSU für Aufsehen, die "deutlich härtere Strafen für Klima-Chaoten" fordern.

Das Klima steht vor einem Kollaps. Weil die Erderhitzung immer mehr um sich greift. Was dagegen getan werden kann – darüber reden sich seit Sonntag Vertreter aus knapp 200 Staaten bei der Weltklimakonferenz COP27 in Sharm El-Sheikh in Ägypten die Köpfe heiß.

Nun macht in Deutschland die Union von sich reden. Der Chef der CSU-Abgeordneten im Bundestag, Alexander Dobrindt, forderte in der "Bild am Sonntag" härtere Strafen für Klima-Aktivisten und betonte: "Die Entstehung einer 'Klima-RAF' muss verhindert werden.“ Wie passt das zusammen – einerseits der weltweite Kampf gegen die Erderhitzung, andererseits Positionen wie die der Union? Fragen und Antworten.

Was genau fordert die Union denn überhaupt?

Der Chef der CSU-Abgeordneten im Bundestag, Alexander Dobrindt, plädiert für härtere Strafen für die Aktivisten der Klima-Gruppe "Letzten Generation". "Klima-Protest darf kein Freibrief für Straftaten sein", sagte er der "Bild am Sonntag". "Es braucht deutlich härtere Strafen für Klima-Chaoten, um einer weiteren Radikalisierung in Teilen dieser Klimabewegung entgegenzuwirken und Nachahmer abzuschrecken. Die Entstehung einer Klima-RAF muss verhindert werden."

Alexander Dobrindt | Bildquelle: dpa

Damit bezog sich Dobrindt auf die Rote Armee Fraktion (RAF). Die RAF galt in der Bundesrepublik über Jahrzehnte als Inbegriff von Terror und Mord. Den Linksterroristen fielen von 1970 bis Anfang der 1990er Jahre mehr als 30 Menschen zum Opfer. Nach Angaben der "Bild am Sonntag" will die Unionsfraktion im Bundestag einen Antrag für härtere Strafen für Klimaaktivisten einbringen, die etwa Straßen blockieren oder die Durchfahrt von Polizei, Feuerwehr und Rettungsdiensten behindern.

Gibt es Kritik an dem Vergleich Klimabewegung und RAF?

Ja. Der Publizist Albrecht von Lucke sagte dem WDR zum Vergleich Klimabewegung und RAF: "Das geht gar nicht." Die RAF habe sich damals dezidiert zu Morden bekannt, um ihre Ziele durchzusetzen - davon sei die Klimabewegung weit entfernt.

Auch aus den Reihen der Union kommt Kritik. Wiebke Winter, Mitglied des CDU-Bundesvorstands, sagte dem WDR, "Gemeinsam" sei das Stichwort. Man dürfe nicht gegeneinander arbeiten, um die Klimakatastrophe noch zu verhindern.

Gibt es auch andere Stimmen, die härtere Strafen gegen Klima-Aktivisten fordern?

Ja. Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) sagte der "Bild am Sonntag", auf die Frage, wie lange die Politik die Klimaaktivisten gewähren lasse: "Wir greifen durch. In Berlin laufen mehr als 700 Strafverfahren gegen Klima-Aktivisten, davon wurde bislang nur eines eingestellt. Es sind bereits mehr als 240 Strafbefehle ergangen."

In Berlin war am vergangenen Montag eine Radfahrerin von einem Lastwagen erfasst und überrollt worden. Ein Spezialfahrzeug, das helfen sollte, die Verletzte unter dem Lastwagen zu befreien, stand nach Angaben der Feuerwehr in einem Stau auf der Stadtautobahn. Dieser soll durch eine Aktion der Klima-Protestgruppe "Letzte Generation" ausgelöst worden sein. Allerdings soll laut einer Notärztin der Klimaprotest die Behandlung der Radfahrerin nicht verzögert haben.

Mit Blick auf die mittlerweile verstorbene Radfahrerin sagte Giffey, das "schreckliche Ereignis" müsse ein Weckruf sein für all diejenigen, die von friedlichen Protesten sprächen. "In der Demokratie gehört kritischer Protest dazu, er überschreitet jedoch definitiv jede Grenze, wenn er Menschenleben gefährdet." Auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sagte, er könne nur appellieren, dass man bei Aktionen immer mit bedenken müsse, dass der Protest nicht zur Gefährdung anderer beitrage.

Gegen diese Sichtweise gibt es vor allem in den sozialen Netzwerken Kritik. Dort posten User immer wieder Fälle, in denen Rettungseinsätze beispielsweise durch falsch geparkte Autos behindert wurden, und fordern, die Halter der Fahrzeuge dann ebenfalls härter zu bestrafen.

Aus Sicht von Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer gehen die Klima-Aktivisten der "Letzten Generation" mit ihren Protesten zu weit. "Sie versuchen die grundlegenden Regeln unseres Zusammenlebens außer Kraft zu setzen und gefährden Menschenleben", sagte er dem "Tagesspiegel am Sonntag". Es könne darauf nur zwei Antworten geben. "Die eine findet sich im Strafgesetzbuch und muss auch angewandt werden. Auch wer ein hehres Ziel verfolgt, steht nicht über dem Gesetz." Noch wichtiger sei ihm der Dialog.

Der Berliner Sozialethiker Andreas Lob-Hüdepohl nannte einige Kriterien für die Legitimität von Protestformen. "Protestaktionen sind als Meinungsäußerung betroffener Menschen grundsätzlich legitim - egal, ob sie mit Sympathien rechnen können oder nicht." Die Proteste müssten aber grundsätzlich gewaltfrei sein und dürften nie die öffentliche Ordnung insgesamt gefährden.

Drohen denn langsam Aktionen der "Letzten Generation" in eine Form des Terrorismus abzugleiten?

Regierungssprecher Steffen Hebestreit hatte sich am Mittwoch vom Begriff "Terrorismus" für Aktionen von Klimaaktivisten distanziert. Bei Schmierereien handele es sich um eine Ordnungswidrigkeit, aber dem Begriff Terrorismus wolle er nicht das Wort reden, sagte Hebestreit.

Aktivisten der Gruppe "Letzte Generation" hatten zuletzt mehrmals berühmte Gemälde in Museen mit Lebensmitteln wie Kartoffelbrei oder Tomatensuppe beworfen.

Was sagt die Wissenschaft?

Mit Blick auf die Erderhitzung heißt es: Die Zeit drängt, denn die vergangenen sieben Jahre waren die wärmsten seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. UN-Klimachef Simon Stiell sagte, jeder müsse, überall auf der Welt, jeden Tag alles in seiner Macht stehende tun, um die Klimakrise zu bewältigen.

Volker Quaschning, Professor für Regenerative Energiesysteme an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin, sagte dem WDR, ein wichtiger Schritt, um der Klimakrise beizukommen, sei, den Ausstoß von Treibhausgasen massiv zu reduzieren. Dies sei machbar, wenn der Fleischkonsum reduziert und zugleich der Ausbau der erneuerbaren Energien vorangetrieben würden. Dies sei der Weg, der in nächster Zeit beschritten werden müsse.