Erst der Terroranschlag mit einem Messer in Solingen, dann die Messer-Angriffe in Moers, Recklinghausen und Siegen - immer wieder werden Messer zur Waffe. Im vorherigen Jahr registrierte die Polizei in NRW 3.536 Angriffe mit Messern im öffentlichen Raum, deutlich mehr als im Jahr davor.
Selbst kleine Messer können "schwere Verletzungen hervorrufen oder im schlimmsten Fall sogar tödlich sein", warnt die Polizei NRW. Auch Stich- oder Schnittverletzungen an Armen oder Beinen könnten innerhalb kürzester Zeit lebensbedrohlich werden.
Das empfiehlt die Polizei
Die Polizei NRW gibt Tipps, wie Menschen sich verhalten sollten, wenn sie mit einem Messer bedroht werden. Das sind die wichtigsten Hinweise:
- Flüchten - auf keinen Fall die Konfrontation suchen
- So schnell wie möglich den Notruf wählen, also 110.
- Zeugen einer Messerattacke rät die Polizei: "Bringen Sie sich nicht selbst in Gefahr, halten Sie Distanz und wählen Sie umgehend den Notruf 110." Schnelle Hilfe "kann lebenswichtig sein".
Sich zu schützen ist bei einem Messerangriff auch deshalb schwierig, weil in solchen Situationen in der Regel alles sehr schnell geht. "Wenn unauffällige, aber psychisch gestörte Menschen plötzlich ein Messer zücken, kann das kaum vorhergesehen werden", sagt die Gewerkschaft der Polizei. Täter suchten sich ihre Opfer mitunter wahllos aus.
Messer oder Pfeffersprays bieten keine Sicherheit
Manche Menschen fühlen sich sicherer, wenn sie eine Waffe, beispielsweise ein Messer oder Pfefferspray, mit sich tragen. Doch dieses Sicherheitsgefühl sei ein Trugschluss, heißt es auf der Website der Polizeilichen Kriminalprävention der Länder und des Bundes. Waffen könnten die eigene Risikobereitschaft erhöhen und führten zur Eskalation weiterer Gewalt. Auch könnten Waffen von Angreifern abgenommen und gegen den Träger verwendet werden.
Das rät ein erfahrener Kampfkunstlehrer
Thommy Luke Böhlig aus Langenfeld ist Kampfkünstler, betreibt eine Wing-Tsjun-Schule mit vielen Standorten in NRW und auch im Ausland. Er schult aber zum Beispiel auch Polizisten, Justiz-Vollzugsbeamte und Mitarbeitende von Ordnungsämtern. Wie die Polizei NRW sagt auch Böhlig:
Bei einem Messerangriff sei es immer das Ziel, sich sicher und so schnell wie möglich aus der Gefahrenzone zu entfernen.
Falls eine Flucht nicht sofort möglich ist, rät Kampfsportlehrer Böhlig: "Suchen Sie nach Möglichkeiten, sich zu schützen, indem Sie Objekte wie Möbel oder andere Hindernisse zwischen sich und den Angreifer bringen." An einem Ort wie auf dem Stadtfest ist das natürlich nicht möglich, in anderen Situationen aber vielleicht schon.
In Böhligs Trainings spielen auch Deeskalation und Kommunikation eine Rolle. Der Kampftrainer empfiehlt unter anderem:
- Ruhig bleiben: "Versuchen Sie, Ihre Emotionen unter Kontrolle zu halten." Panik könne die Situation verschlimmern.
- Verbale Deeskalation: "Sprechen Sie ruhig und respektvoll mit dem Angreifer. Versuchen Sie ihn zu beruhigen und geben Sie ihm keinen Grund, die Situation weiter eskalieren zu lassen."
Körperliche Konfrontation als letzter Ausweg
Eine körperliche Konfrontation sei immer der letzte Ausweg und mit Gefahren verbunden. Selbst Profis, wie etwa Polizisten oder erfahrene Kampfsportler gingen davon aus, dass sie aus so einer Situation nicht unbeschadet herauskommen.
Je nach Situation könne es noch eine Chance sein, einen Angreifer zu verwirren, etwa in dem man Dinge sage wie "Erdbeertörtchen" oder "Ich muss aufs Klo", um die Sekunden der Verwirrung dann zur Flucht zu nutzen. Ein Attentäter, der im Tunnel ist, reagiere darauf aber vermutlich nicht mehr. Bei anderen könne das helfen - etwa wenn der Situation ein Gespräch vorausgegangen ist.
Bei Angriff singen? Polizei Berlin warnt vor Missverständnis
In sozialen Medien kursiert seit einigen Tagen in Zusammenhang mit den jüngsten Messerangriffen ein Screenshot der Website der Polizei Berlin. Zu sehen ist ein Ausschnitt aus einem Text, indem die Behörde empfiehlt, im Falle eines Angriffs, den Täter oder die Täterin durch unerwartetes Verhalten, zum Beispiel Singen, zu irritieren.
In einem aktuellen X-Post weist die Polizei aber darauf hin, dieser Hinweis sei nicht mehr Teil der "polizeilichen Erfahrungswerten und ist daher schon seit 2023 nicht mehr Teil unserer Empfehlungen". Gerade bei terroristische Anschlägen sei "Gesundheit und Leben zu schützen oberstes Gebot".
Unsere Quellen:
- Polizei NRW: Gefahr durch Messer-Angriffe
- Polizei Berlin: Website und Online-Dienst X
- Gewerkschaft der Polizei: Website Polizei dein Partner
- Gespräch mit Trainer Thommy Luke Böhlig von Wing Tsjun International
- Polizeiliche Kriminalprävention der Länder und des Bundes: Gewalt unterwegs -Verhaltenstipps bei Angriffen
Über den Messerangriff in Siegen berichten wir am 31.08.2024 auch in der Aktuellen Stunde im WDR-Fernsehen.