Es ist laut und hitzig im Bundestag, immer wieder unterbrechen Zwischenrufe die Reden, vor allem aus den Reihen von CSU und Linkspartei. Doch am Ende stimmt die Ampel für ihre Wahlrechtsreform. Der Bundestag wird kleiner - auf Kosten der direkt gewählten Abgeordneten.
Bisher galt: Wer in seinem Wahlkreis die meisten Stimmen erhält, zieht in den Bundestag ein. Garantiert. Das ändert sich jetzt. Erhält eine Partei nach ihren Zweitstimmen 100 Sitze im Bundestag, dann bleiben es 100 Sitze - auch wenn sie 120 Direktmandate gewinnen sollte. Das heißt: die 20 direkt gewählte Kandidaten mit dem schlechtesten Ergebnis gingen leer aus.
Mangelnde Bürgernähe durch fehlende Abgeordnete?
Daran hatte sich bereits im ersten Entwurf der Ampel-Koalition Kritik von CDU und CSU entzündet. Im jetzt verabschiedeten Entwurf hatte sie deswegen die Zahl der Abgeordneten von 598 auf 630 erhöht. Doch die Kritik aus Reihen der Union bleibt. Sie argumentiert mit fehlender Bürgernähe.
Doch wie sehr leidet die Bürgernähe wirklich, wenn ein Wahlkreis keinen eigenen direkt gewählten Abgeordneten im Bundestag hat? Eindeutig sagen lässt sich das nicht, Studien lassen zumindest vermuten: Ein großes Problem für Wähler dürfte es in der Regel nicht sein.
Forscher der Universitäten Mannheim und Oxford hatten 2022 untersucht, wie sich größere Wahlkreise auf die Zufriedenheit der Bürger mit demokratischen Prozessen auswirken. Sie kommt zu dem Schluss: "Empirisch konnten wir Folgen in Bezug auf Demokratiezufriedenheit nicht nachweisen".
Die Studie hatte untersucht, ob Wähler in großen Wahlkreisen - der größte Wahlkreis ist Mecklenburgische Seenplatte II, Landkreis Rostock III ist fast anderthalb mal so groß wie das Ruhrgebiet - unzufriedener mit ihrer demokratischen Vertretung sind, als in kleinen Wahlkreisen. Einer Zusammenlegung von Wahlkreisen stünde daher nichts im Wege.
Auch nicht direkt gewählte Abgeordnete übernehmen Arbeit vor Ort
Auf den theoretischen Fall, dass ein Wahlkreis gar nicht mehr vertreten wird, lässt sich das Ergebnis nicht ein. Rechtswissenschaftlerin Sophie Schönberger von der Universität Düsseldorf glaubt aber: Dass nur direkt gewählte Abgeordnete lokal verankert seien, sei ein Fehlschluss. Das seien Listenkandidaten in aller Regel auch, denn auch sie haben in aller Regel in einem Wahlkreis kandidiert.
Für Schönberger stellt sich dazu die Frage, wem sich ein Wähler der Linkspartei in Bayern verbundener fühle - dem direkt gewählten CSU-Kandidaten oder dem über die Liste gewählten Kandidaten der Linkspartei?
CDU-Chef Friedrich Merz hingegen fürchtet, dass nach der Reform ganze Regionen nicht mehr durch Bundestagsabgeordnete vertreten werden könnten. Er hat bereits angekündigt, dass CDU und CSU Klage vor dem Bundesverfassungsgericht einreichen wollen.