Es war ein Abwägungsprozess nach langer wissenschaftlicher Aufarbeitung. Den etablierten Namen behalten oder sich einen neuen geben? Die ehemalige AStA-Vorsitzende der Uni Münster, Sara Movahedian, hatte schon früh einen neuen Namen für ihre Hochschule gefordert: "Ich finde das total traurig ist, dass unsere Uni immer noch nach Kaiser Wilhelm benannt ist, obwohl jetzt sehr gut geschichtlich aufgearbeitet wurde, was er eigentlich für eine schwierige Persönlichkeit war." Jetzt soll "Wilhelm" aus dem Namen verschwinden.
Wann sollte sich eine Universität umbenennen?
Aus Sicht des Senats der Uni ist die Umbenennung der richtige Schritt. Eckhard Kluth, Leiter des Kulturbüros der Uni Münster, kam mit seinen Kolleginnen und Kollegen zu dem Ergebnis: "Die Beziehung der Uni zu ihrem Namensgeber ist viel brüchiger, als das bislang bekannt war. So hieß die Uni zum Beispiel nicht schon die ganze Zeit seit 1907 so wie jetzt, sondern hatte auch schon andere Namen".
Wenn man den Namensgeber aufgrund dessen, wofür er geehrt worden ist, nicht mehr als vorbildlich ansieht, sollte man den Namen ändern, meint auch Historiker Zimmerer. "Vorstellungen einer eingefrorenen Gedächtnislandschaft oder Argumente des Marketings, die das universitäre Branding in Gefahr sehen", sollten dabei keine Rolle spielen.
Kaiser Wilhelm und der Genozid an den Herero und Nama
Schon vor Jahren stellte eine Arbeitsgruppe der Universität in Münster fest: Kaiser Wilhelm II. sei "überaus militaristisch und nationalistisch, antislawisch und geradezu obsessiv antisemitisch" gewesen. Geändert wurde der Name nicht, mit der Begründung man wolle nicht die Person Kaiser Wilhelm II., sondern den Stifter ehren, der der früheren königlich-preußischen "Akademie" den Rang einer Universität verliehen hatte.
Professor Zimmerer wendet dagegen ein, bei Kaiser Wilhelm II. handele es sich immerhin um einen der Ermöglicher des ersten Genozids des 20. Jahrhunderts, verübt an den Herero und Nama in Deutsch-Südwestafrika. Seiner Meinung nach sollte das Grund genug für eine Umbenennung sein.
Ein Antisemit in Berlin, ein SS-Mann in Erlangen
Die Berliner Beuth Hochschule für Technik ist ein weiteres Beispiel für eine Einrichtung, bei der die antisemitische Vergangenheit des Namensgebers heutzutage nicht mehr tragbar erscheint. Auch hier wurde vorher zwei Jahre lang recherchiert und über den preußischen Namenspatron Christian Peter Beuth debattiert. Die Hochschule beschloss 2020, den Namen zu ändern. Präsident Werner Ullmann erklärte: "Als wissenschaftliche Einrichtung steht unsere Hochschule in der Verantwortung, sich Antisemitismus- und Rassismustendenzen klar entgegenzustellen."
An einer Hochschule in Erlangen war ein Hörsaal nach Rudolf Wöhrl benannt, Gründer einer Modehauskette. Nachdem bekannt wurde, dass Wöhrl Mitglied von NSDAP und SS gewesen war, bekam der Hörsaal wieder seinen alten Namen "Östliche Stadtmauerstraße 11" zurück.
Die Ernst-Moritz-Arndt-Universität in Greifswald wurde 2018 umbenannt, die Umbenennung der Eberhard Karls Universität Tübingen wurde 2022 "leider abgelehnt", berichtet Professor Zimmerer von weiteren Fällen.
Wann darf eine Universität ihren Namen ändern?
Solange sie die Umbenennung gemäß ihren eigenen Statuten beschließt, darf eine Universität, wann immer sie will, ihren Namen ändern, betont Professor Zimmerer von der Universität Hamburg.
Über den Namen der Universität entscheidet der Senat, der die Grundordnung der Universität beschließt. Wie die Universität allerdings mit der Vergangenheit des Namensgebers umgeht, ist Sache des Rektorats. Das NRW-Wissenschaftsministerium muss nach einem entsprechenden Senatsbeschluss, auch im Fall der WWU, der Namensänderung noch zustimmen.
Vor einer Umbenennung untersucht in der Regel ein Arbeitskreis, dem vor allem Historiker angehören, die fragwürdige Personalie. Dabei werden natürlich auch ähnliche Namens- und Denkmaldebatten in die Diskussion einbezogen.
Falsche Helden versus Erinnerungskultur
Bei fragwürdigen Namensgebern von Straßen haben sich nach Ansicht vieler Historiker Zusatzschilder bewährt, die eine geschichtliche Einordnung bieten. Oftmals wurden aber Straßen auch umbenannt. Dass die Diskussion in der Bevölkerung und Politik zugenommen habe, bestätigt auch der Deutsche Städtetag in einer Handreichung.
Die Straßenbenennung spiegele stets die aktuellen Verhältnisse, die Weltanschauung und Kultur bis hin zu den Herrschaftsverhältnissen der entsprechenden Zeit wider. Historische Personen, Orte und Ereignisse würden zu unterschiedlichen Zeiten verschieden bewertet.
Professor Zimmerer von der Uni Hamburg spricht von einer "Einzelabwägung". Er empfiehlt, sich die Frage zu stellen: "Wenn wir heute über eine neue Namensgebung entscheiden müssten, würden wir denselben Namensgeber befürworten?" Wenn nicht, sollte man einer Namensänderung zustimmen. Sonst zementiere man die "Gedächtnislandschaft der Vergangenheit".
Neue Namen für Straßen in NRW
Beispiele für Umbenennungen gibt es in NRW vor allem bei Straßen und Plätzen. In der Dortmunder Nordstadt wurde die "Speestraße" umbenannt. Hier sei "kein Platz für Kolonialisten und Nazi-Heldenfiguren", sagte die Bezirksbürgermeisterin Hannah Rosenbaum. Aus dem Grund hat die Bezirksvertretung Ende letzten Jahres beschlossen, die Straße solle nicht mehr den Namen von Maximilian von Spee tragen - ein Marineoffizier, der im Ersten Weltkrieg fiel und später von den Nationalsozialisten verehrt wurde.
Neue Namensgeberin ist die Ärztin Dr. Safiye Ali. Sie war die erste Frau, die in der Türkei als Ärztin praktizierte, hatte ihre letzte Praxis in Dortmund und gilt als Wegbereiterin für Frauen in der Medizin.
Umbenennungen als Trend?
Auch in Düsseldorf wurde 2021 beschlossen, elf Straßen mit historisch belasteten Namen umzubenennen. Die Straßen hatten alle einen direkten Bezug zu Kolonialismus, Militarismus, Nationalsozialismus und Antisemitismus.
Der Hamburger Historiker Jürgen Zimmerer wünscht sich eine bundesweite Überprüfung der Namen durch unabhängige Kommissionen - nicht nur für Straßen und Universitäten. Und er nennt zwei weitere Institutionen, deren Namen ihm nicht mehr zeitgemäß erscheinen: Das Robert Koch-Institut in Berlin und das Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin in Hamburg - wegen der zweifelhaften Verstrickungen ihrer Namensgeber in den Kolonialismus.