Der russische Präsident Putin hat dem Westen in seiner Rede zur Lage der Nation vorgeworfen, Krieg angefangen zu haben. "Und wir setzen Gewalt ein, um ihn zu beenden." Die mit Spannung erwartete Rede fand vor Abgeordneten, Staatsbediensteten und Soldaten statt, die in der Ukraine gekämpft haben. Die Ansprache erfolgte drei Tage vor dem ersten Jahrestag des russischen Kriegs in der Ukraine.
Der Westen wisse, dass "es unmöglich ist, Russland auf dem Schlachtfeld zu besiegen", sagte Putin. Daher starte der Westen Attacken durch Desinformationen, bei denen "historische Fakten falsch ausgelegt" würden. Dabei würden die russische Kultur, Religion und russische Werte angegriffen.
Putin: Westen will Russland "erledigen"
In seiner Rede unternahm Putin einen weiteren Versuch, seine Invasion zu rechtfertigen. Er behauptete, die russischen Soldaten beschützten Zivilisten in der Ukraine. "Das Volk der Ukraine wurde zur Geisel des Kiewer Regimes und seiner westlichen Herren, die im Grunde dieses Land besetzt haben", so Putin. Der Westen strebe "nach uneingeschränkter Herrschaft" und wolle Russland "ein für alle Mal erledigen".
An einer friedlichen Lösung des Konflikts sei der Westen nicht interessiert. Auch deshalb müsse die russische Armee weiter aufgerüstet werden.
Biden in Warschau: "Er könnte den Krieg mit einem Wort beenden"
US-Präsident Joe Biden reagierte in Warschau auf die Rede Putins. Einen Tag nach seinem Überraschungsbesuch in der ukrainischen Hauptstadt Kiew ist der Präsident zu Gast in Polen. Biden sagte, weder die Vereinigten Staaten noch Europa wollten Russland kontrollieren oder zerstören.
Der Westen habe vor Kriegsbeginn nicht vorgehabt, Russland anzugreifen, wie Kremlchef Wladimir Putin behaupte. Dieser Krieg sei eine Tragödie und Putin habe ihn gewählt.
Biden warnt Putin vor Angriff auf Nato
Der US-Präsident warnte Putin vor einem Angriff auf die Nato - und beschwor erneut die Stärke des Verteidigungsbündnisses. "Jedes Mitglied der Nato weiß es, und Russland weiß es auch: Ein Angriff gegen einen ist ein Angriff gegen alle. Es ist ein heiliger Eid, jeden Zoll Nato-Gebiet zu verteidigen", sagte Biden.
Kremlchef Präsident Wladimir Putin habe bezweifelt, dass die Nato nach dem russischen Angriff auf die Ukraine vereint bleiben können.
Biden sagte weiter, er wolle Sanktionen gegen Russland aufrechterhalten und noch ausweiten. "Wir werden diese Woche zusammen mit unseren Partnern weitere Sanktionen ankündigen, die alle Verantwortlichen dieses Kriegs zur Rechenschaft ziehen."
Atomarer Abrüstungsvertrag ausgesetzt
Außerdem kündigte Putin die Aussetzung des letzten großen atomaren Abrüstungsvertrages mit den USA an. Es handle sich jedoch nicht um einen endgültigen Ausstieg, präzisierte er.
Der "New Start"-Vertrag begrenzt die Atomwaffenarsenale beider Länder auf je 800 Trägersysteme und je 1.550 einsatzbereite Sprengköpfe. Zudem ist geregelt, dass Washington und Moskau Informationen über ihre strategischen Atomwaffenarsenale austauschen und bis zu 18 Verifikationsbesuche pro Jahr abhalten dürfen.
Noch am Abend erhielt das Parlament Russlands den entsprechenen Antrag Putins auf Ausstieg aus dem Abrüstungsvertrag, wie die Staatsagentur Tass berichtete. Schon am Mittwoch wollten die Abgeordneten darüber beraten, sagte Parlamentspräsident Wjatscheslaw Wolodin.
Reaktionen auf Aussetzung von Abrüstungsvertrag
Bundeskanzler Scholz zeigte sich nach der Ansprache Putins besorgt. Der russische Präsident sei "auf einem Pfad unterwegs, der sehr bedrückend ist", sagte der SPD-Politiker in Duisburg. Scholz ergänzte, man müsse alles dafür tun, "dass die Sicherheit unseres Planeten gewährleistetet bleibt". Dazu gehöre zum Beispiel, dass Atomwaffen in Kriegen nicht eingesetzt werden.
Verteidigungsminister Boris Pistorius hat zurückhaltend auf die Drohung reagiert. "Das ist eine seiner üblichen Vorgehensweisen."
Auch Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg rief Putin zur Achtung des Atomwaffen-Kontrollvertrags auf. Putin solle seine Entscheidung überdenken, forderte er. Den Vorwurf, dass der Westen Russland vernichten wolle, wies Stoltenberg ebenso wie die US-Regierung zurück.