"Ich habe gehört, wir leaken jetzt Sprachnachrichten von unserem Ex" - damit fangen einige der Videos an, die auf der Social-Media-Plattform Tiktok viral gehen. Die Anzahl der Clips schießt in die Höhe, ebenso wie die Klicks: Manche werden millionenfach aufgerufen, generieren Hunderttausende Likes.
Zu sehen sind meist Frauen, die mit ihren Verflossenen schlechte, vielleicht traumatische Erfahrungen erlebt haben. Zu hören hingegen sind kurze O-Töne, stimmenverzerrt, in denen die damaligen Partner ihren Freundinnen beispielsweise verbieten, auf Festivals zu gehen - oder diese aufs Übelste beleidigen, teilweise sogar anschreien. Den Text wiederum sprechen die Betroffenen stumm mit, auch durch Mimik nehmen sie ihre Ex-Freunde aufs Korn.
Videos als Akt der Selbstliebe
Die Reaktionen in den Kommentarspalten? Vor allem positiv. Viele Userinnen und User unterstützen die Frauen. Kritische Nachrichten sind kaum zu lesen, Kommentare wie "darf man das eigentlich?" werden oft lapidar abgeschmettert.
Viele feiern die Tiktok-Videos als Akt der Selbstliebe und Selbstermächtigung, schließlich verarbeiten die Frauen darin so manche unangenehme Wahrheit aus ihren gescheiterten Beziehungen. Juristisch aber sind die Clips fragwürdig.
Verletzung der Persönlichkeitsrechte
Der Grund: Mit den Sprachnachrichten werden die Persönlichkeitsrechte der betroffenen Männer verletzt. Ohne die Zustimmung einer Person ist es nämlich nicht erlaubt, eine private Nachricht zu veröffentlichen. Das ist auch der Fall, wenn die Stimme verfremdet wurde, weil es nach wie vor möglich ist, den Sprechenden herauszufinden.
Sprachnachrichten von Ex-Lovern zu veröffentlichen sei nicht nur moralisch "höchst verwerflich und deshalb tunlichst zu unterlassen, sondern vor allem auch rechtlich besonders relevant", sagt der Berliner Medienanwalt David Geßner im WDR-Interview:
Strafzahlungen im fünfstelligen Bereich möglich
Eine private Nachricht sei nicht umsonst privat, schreibt auch die Berliner Rechtsanwältin Denise Himburg auf ihrer Website. Wer diese ohne Erlaubnis veröffentlicht, dem drohen rechtliche Konsequenzen - von Abmahnungen über Bußgelder bis hin zu möglichen strafrechtlichen Folgen.
Für Personen, die Sprachnachrichten wie bei den Tiktok-Videos ins Internet stellen, könne es also ganz schön teuer werden, erklärt Medienanwalt David Geßner: "Noch eher in Betracht kommen immaterielle Geldentschädigungsansprüche, die je nach Inhalt und Charakter der Persönlichkeitsverletzung auch im fünfstelligen Bereich liegen können." Eine solche schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung gelte es im Einzelfall zu bestimmen.
Meist gilt Persönlichkeitsrecht
Wann überhaupt dürfen private Nachrichten aber veröffentlicht werden? Die Antwort: "Fast nie", stellt Rechtsanwältin Denise Himburg auf ihrer Website klar. Dies gelte auch für Nachrichten, die über soziale Netzwerke wie WhatsApp oder Instagram versendet wurden.
Das Persönlichkeitsrecht stehe nur dann zurück, wenn ein anderes Recht als wichtiger betrachtet wird - wie beispielsweise das Recht auf Meinungsäußerung oder das öffentliche Informationsinteresse.
Unsere Quellen:
- Videos auf Tiktok
- WDR-Podcast "0630"
- WDR-Interview mit Medienanwalt David Geßner
- Website der Rechtsanwältin Denise Himburg
Über dieses Thema berichten wir im WDR am 19.07.2024 auch im Podcast "0630".