Anzahl der Tierversuche sinkt - ein Ende ist jedoch nicht in Sicht
Stand: 14.12.2024, 22:10 Uhr
Im vierten Jahr in Folge sinkt die Zahl der Tierversuche – so stark wie noch nie zuvor. Auch, weil es immer bessere Alternativen zu Experimenten an Tieren gibt. Doch ein komplettes Ende ist nicht in Sicht.
Von Tom Konjer
Kleine, karge Käfige, zusammengepferchte Tiere: Bilder aus Tierversuchs-Laboren sehen oft schlimm aus. Bevor einige Medikamente und Impfstoffe zugelassen werden dürfen, müssen sie an Tieren getestet werden. Deutschland und Frankreich liegen bei der Zahl der Tierversuche in der EU ganz vorne. So schreibt es die EU-Kommission. Aber: Warum gibt es sie noch? Können wir wirklich nicht auf sie verzichten?
Insgesamt waren es 2,13 Millionen Versuchstiere, die 2023 für Sicherheitstest, Experimente und Grundlagenforschung in die Labore gekommen sind: Überwiegend Mäuse, Fische, aber auch Vögel, Katzen, Hunde und Affen. Das hat jetzt das Bundesinstitut für Risikoberwertung (BfR) bekannt gegeben. Das sind 12,7 Prozent weniger als noch im Vorjahr.
Nicht an allen Tieren werden auch Versuche durchgeführt: 2023 waren das 1,46 Millionen, ein Jahr zuvor waren es 270.000 Tiere mehr. Oft werden Versuchstiere für die Wissenschaft auch getötet – zum Beispiel, weil Gewebe und Organe für Experimente benötigt werden.
Laut einer repräsentativen Umfrage des Marktforschungsunternehmens Savanta aus dem Jahr 2023 wollen 84 Prozent der Deutschen, dass Tierversuche abgeschafft werden. 2013 trat in der EU ein Verbot in Kraft: Kosmetika, die an Tieren getestet wurden, dürfen seitdem nicht mehr verkauft werden. Herstellern ist auch verboten, die Tierversuche in Ländern außerhalb der EU durchzuführen. Für viele Gegner von Tierversuchen war das ein wichtiger Schritt.
Wissenschaft ohne Tierversuche unrealistisch?
Bei der Initiative "Tierversuche verstehen" heißt es, dass noch nicht komplett auf die Versuche verzichtet werden könne:
Forschende seien gesetzlich dazu verpflichtet, erst dann an Tieren Versuche durchzuführen, wenn alle anderen Methoden ausgeschöpft seien. Trotzdem seien Versuche an Tieren für die Zulassung der allermeisten Medikamente sogar vorgeschrieben. Für viele neurologische Krankheiten wie zum Beispiel Alzheimer gibt es noch keine Therapien. Ohne Tierversuche würde die Suche nach einem Heilmittel stillstehen, sagt die Initiative. Auch die Krebsforschung sei noch stark auf Tierversuche angewiesen.
Auch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) schreibt auf WDR-Anfrage: "Ein vollständiger Ausstieg aus Tierversuchen wird von der Forschungsgemeinschaft auf absehbare Zeit als nicht realistisch eingeschätzt." Ihr Ziel sei aber, Tierversuche überflüssig zu machen oder zumindest die Zahl der Versuchstiere deutlich zu reduzieren.
PETA: Sofortiger Stopp von Versuchen unrealistisch
Auch Biotechnologin Sabrina Engel von der Tierschutzorganisation PETA hält einen sofortigen Stopp von Tierversuchen für unrealistisch. Sie kritisiert aber, dass es keinen konkreten Plan gebe, Tierversuche Stück für Stück zu ersetzen. Insgesamt seien Tierversuche nur begrenzt nützlich:
Es brauche Methoden, die auf den menschlichen Körper ausgelegt seien. Und die gibt es schon. Zum Beispiel sogenannte "Organs-on-a-Chip" (dt.: Organ auf einem Chip). Das sind kleine Biochips, die menschliches Gewebe enthalten und Organfunktionen simulieren. Mit denen soll sich besonders gut testen lassen, wie Medikamente wirken – und ob sie vielleicht schädlich sind. Mittlerweile können Forscher mithilfe spezieller 3D-Drucker sogar Gewebe und Organe lebensecht ausdrucken – und mit ihnen Chemikalien testen.
Unsere Quellen
- Nachrichtenagenturen AFP und dpa
- Deutschlandfunk
- Versuchstierzahlen des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR)
- Anfrage Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft
- Ärzte gegen Tierversuche e.V.