Die Rede eines hohen Vertreters der militant-islamistischen Taliban-Verwaltung in Afghanistan in einer Ditib-Moschee in Köln schlägt weiter hohe Wellen. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) kritisierte den Auftritt von Abdul Bari Omar und forderte Aufklärung. "Der Auftritt des Taliban-Vertreters in Köln ist vollkommen inakzeptabel und scharf zu verurteilen", sagte die SPD-Politikerin am Samstag der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. "Niemand darf radikalen Islamisten in Deutschland eine Bühne bieten."
Die Taliban seien für massive Menschenrechtsverletzungen verantwortlich, sagte Faeser weiter. "Wir schützen in Deutschland viele Geflüchtete aus Afghanistan vor der Unterdrückungsherrschaft der Taliban. Deshalb haben Taliban-Funktionäre absolut nichts zu suchen in Deutschland." Die zuständigen Behörden gingen dem Fall intensiv nach. Vom Dachverband Ditib, dem die Kölner Moschee angehört, erwarte man "eine vollständige und sehr schnelle Aufklärung, wie es zu dem Auftritt in Köln kommen konnte".
Ditib korrigiert Aussage zu Veranstalter
Der Dachverband Ditib, dem die Moschee angehört, hatte sich von dem Auftritt in dem Gebetshaus im Stadtteil Chorweiler am Donnerstag distanziert. Ein Kulturverein habe die als religiös angekündigte Veranstaltung organisiert und sich dabei nicht an eine vertragliche Vereinbarung gehalten.
Der "Afghanische Kulturverein Köln Meschenich", den Ditib zunächst als Veranstalter nannte, erklärte hingegen, nicht an der Veranstaltung beteiligt gewesen zu sein, der Vereinsname sei missbräuchlich verwendet worden. Am Samstagabend korrigierte die Ditib dann ihre Angaben. Tatsächlich sei der Saal Personen zur Verfügung gestellt worden, die Ditib als Vorstand des Vereins "Kulturverein der Kunar Jugendlichen e.V." bekannt seien.
Der Verein bestätigte gegenüber dem WDR, dass er Abdul Bari Omar eingeladen habe. Damit habe man die Chance nutzen wollen, mit dem Taliban-Vertreter auf die katastrophale Lage der Menschen in Afghanistan aufmerksam zu machen, erklärte ein Sprecher.
Bundesinnenministerium und NRW-Staatskanzlei wussten vorab nichts von dem Auftritt
Das Bundesinnenministerium hatte nach Angaben eines Sprechers vorab keine Kenntnis von dem Auftritt von Abdul Bari Omar. Man habe die öffentlichen Äußerungen der Ditib dazu zur Kenntnis genommen und werde dort auf weitere Klärung dringen, sagte der Ministeriumssprecher der dpa.
Auch der Düsseldorfer Staatskanzlei war der Besuch von Abdul Bari Omar nicht bekannt. "Dass Mitglieder einer radikalen Organisation wie die Taliban ihre Ideologien ungefiltert auf deutschem Boden verbreiten, ist ein unsäglicher Vorgang", sagte eine Sprecherin der Staatskanzlei dem WDR. Alle Details dieses Sachverhalts müssten nun vollumfänglich aufgeklärt werden. Die klare Distanzierung der Ditib Chorweiler sei ein erster wichtiger Schritt.
Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) reagierte fassungslos. Es sei unbegreiflich, wie so etwas geschehen konnte und einem Vertreter der Taliban eine Bühne geboten wird. "Ich verurteile den Auftritt auf das Schärfste", teilte Reker dem WDR mit. Die Parolen der Taliban gehörten "nicht in unsere Stadt und unser Land". Sie erwarte von den Akteuren "in unserer Stadt, aber auch von der Bundesregierung, sicherzustellen, dass dies nicht noch einmal passieren" wird.
Taliban-Funktionär reiste mit Schengen-Visum aus den Niederlanden ein
Das Auswärtige Amt (AA) in Berlin verurteilte den Auftritt des Taliban-Vertreters in Köln auf das Schärfste. Die Reise sei dem AA nicht angekündigt worden und dem Mann sei vor seiner Einreise nach Deutschland kein Visum erteilt worden.
Nach WDR-Informationen ist der Taliban-Funktionär mit einem Schengen-Visum eingereist, das von den Niederlanden ausgestellt wurde. Abdul Bari Omar, der Leiter der afghanischen Lebensmittel- und Arzneimittelbehörde ist, hatte an einer Konferenz der Weltgesundheitsorganisation WHO teilgenommen, die vom 6. bis 8. November in Den Haag stattfand. Omar stehe zwar auf keiner Sanktionsliste - dennoch hätte man ihm kein Visum ausstellen dürfen, sagt ein Sprecher des niederländischen Außenministeriums dem WDR. Man prüfe nun, wie man verhindern könne, dass so etwas wieder geschehe.
Bereits im Oktober soll es, wie der WDR erfuhr, von afghanischen Aktivisten eine Warnung an diverse Politiker gegeben haben, dass Taliban versuchen würden, nach Deutschland zukommen, um hier ihre Propaganda zu verbreiten.
Unsere Quellen:
- Nachrichtenagentur dpa
- Sprecherin Staatskanzlei gegenüber dem WDR
- Sprecher des niederländischen Außenministeriums gegenüber dem WDR
- Reker gegenüber dem WDR
- WDR-Recherchen