Drei junge Männer stehen vor dem Frankfurter Hauptbahnhof

"Bauchtasche ist am wichtigsten": Was hinter dem "Talahon"-Trend steckt

Stand: 26.07.2024, 06:00 Uhr

Zwischen Selbstbezeichnung und rassistischen Stereotypen: Jugendliche folgen dem TikTok-Trend "Talahon". Doch wie problematisch ist der Trend? Und wer sind die "Talahons"?

Von Katharina Köll

Mahmoud erklärt, was einen "Talahon" ausmacht: "Er läuft mit seinen Jungs rum und macht auf Gangster, aber man darf das nicht zu ernst nehmen." Mahmoud, der auf TikTok als "Araber mit Seitenscheitel" bekannt ist, stammt aus Syrien. Zum Interview in der Düsseldorfer Innenstadt erscheint der 19-Jährige im typischen Talahon-Outfit.

Mahmoud im typischen "Talahon"-Outfit

Mahmoud im typischen "Talahon"-Outfit

Das beschreibt er so: "Dazu gehören Louis Vuitton, sich breit machen auf der Straße, gefälschte Balenciaga, Parfum und die Bauchtasche, die ist am wichtigsten." Junge Menschen, meist arabischer Herkunft, kleiden sich zwar schon länger so, aber nun hat dieser Trend mit "Talahon" einen Namen und immer mehr Anhänger.

Woher kommt der Tiktok-Trend?

"Talahon" stammt vom arabischen Begriff "Ta'al La'hon", was "Komm mal her!" bedeutet. Seinen Ursprung hat der Trend vermutlich bei Hassan aus Hagen. Der kurdisch-syrische Rapper ist Anfang 20, lebt seit zehn Jahren in Deutschland und arbeitet nebenbei im Imbiss seiner Familie. 2022 veröffentlichte er den Song "TA3AL LAHON", im Februar 2024 folgte eine Fortsetzung. Ein Reim des Originals ging dann viral: "Tala' hon, ich geb dir ein Stich, ich bin der Patron."

Screenshot aus "TA3AL LAHON"-Video von Rapper Hassan

Ursprung des Begriffs: "TA3AL LAHON"-Video von Rapper Hassan

Auf TikTok inszenieren sich unter dem Hashtag #talahon seitdem meist junge Einwanderer. Einige spielen mit einem Augenzwinkern den halbstarken Gangster, andere zeigen aggressives Verhalten, blicken grimmig in die Kamera oder boxen in die Luft.

Die problematische Seite: Sexismus, Rassismus

Es gibt auch Kritik an den "Talahons": Sie gelten als gewaltbereit und sexistisch. Die Bild-Zeitung nannte das Phänomen einen "widerlichen TikTok-Trend". In einigen Videos unter dem Trend wird tatsächlich ein problematisches Frauenbild reproduziert: "Eine (brauchst) du zum kochen, eine zum putzen".

In kurzer Zeit ist der "Talahon" zum Feindbild geworden. Der Begriff wird inzwischen auch von Rechten benutzt, um eine ganze Personengruppe herabzuwürdigen - vor allem junge Männer arabischer Abstammung.

Der Instagram-Account "Nächste Generation" bezeichnet sich als konservativ - und fordert in einem Post, dass man "Talahons" abschieben müsse.

Der Instagram-Account "Nächste Generation" bezeichnet sich als konservativ - und fordert in einem Post, dass man "Talahons" abschieben müsse.

Soziale Medien fördern immer krassere Inszenierung

Der Schweizer Psychologe und Psychotherapeut Lothar Janssen arbeitet viel mit Jugendlichen und hat sich schon mit dem "Talahon"-Trend beschäftigt. Er sagt: Jugendbewegungen mit bestimmtem Auftreten habe es schon immer gegeben. Kritisch sieht er die Rolle der sozialen Medien, nennt sie "Brandbeschleuniger", die eine immer krassere Inszenierung erfordern.

Beim "Talahon"-Trend sieht Janssen keine systematische Gewaltverherrlichung, aber es gebe einige, "die das dann auch durchziehen." Der Großteil der Jugendlichen spiele jedoch mit solchen Trends, um sich einer Gruppe zugehörig zu fühlen.

"Urheber" Hassan: "Ein Talahon muss respektvoll sein"

Der Hagener Rapper Hassan kritisiert das Macho-Gehabe einiger Jugendlicher und sagt: "Ein Talahon muss respektvoll sein." Doch wie passt das zu seinem Lied, das Gewalt und Kriminalität beschreibt? Eine Textstelle lautet: "Deine Jungs sehen, wie ich in dir Messer steche." Für Hassan sind diese Inhalte eine Kunstform und repräsentieren das Leben der "Straße".

Rapper Hassan, junger Mann in weißem Hemd sitzt in einem Café

Rapper Hassan im WDR-Interview

Zwischen Selbstbezeichnung und Stigma

Der "Talahon"-Trend hat sich inzwischen verselbständigt. Hassan und Mahmoud, der TikToker "Araber mit Seitenscheitel" identifizieren sich mit dem Begriff "Talahon" und nehmen in Kauf, dass er inzwischen auch negativ konnotiert und als Beleidigung genutzt wird.

Psychologe Lothar Janssen ist wiederum skeptisch, ob der Trend noch lange anhalten wird. So oder so: In diesem Sommer sind die "Talahons" in deutschen Innenstädten nicht zu übersehen und genießen die Aufmerksamkeit.

Unsere Quellen:

  • TikTok-Accounts "Araber mit Seitenscheitel", "Xiro.Xiro"
  • Interviews mit Mahmoud ("Araber mit Seitenscheitel") und Rapper Hassan
  • Gespräch mit Psychologe Lothar Janssen
  • BILD online

Über dieses Thema berichten wir auch im WDR-Fernsehen in der Aktuellen Stunde am 27. Juli um 18.45 Uhr.