Das ungeplante und eher zufällige Coming-Out der amerikanischen Sängerin Billie Eilish zeigt, wie unterschiedlich Menschen auch im Jahr 2023 noch mit dem Thema sexuelle Orientierung umgehen. In einem Interview mit der Zeitschrift "Variety" hatte Eilish in einem Nebensatz fallen lassen, dass sie Frauen liebe. Viele Medien berichteten anschließend darüber und immer wieder wurde die 21-Jährige dazu befragt.
Die US-Sängerin Billie Eilish
Für sie selbst hingegen ist das Thema offenbar eher zweitrangig: "Ich habe irgendwie gedacht: 'War das nicht offensichtlich?'", sagte Eilish bei einer Veranstaltung des Magazins "Variety" in Los Angeles am Samstag. "Ich hatte keine Ahnung, dass die Leute das nicht wissen."
Viele queere Kinder und Jugendliche fühlen sich gemobbt
Vor allem wenn Außenstehende die sexuelle Orientierung als Anlass nehmen, Menschen anzugehen, die nicht ihrem Weltbild entsprechen, wird das zum Problem. Laut einer Umfrage der EU-Grundrechteagentur aus dem Mai 2023 werden 48 Prozent der queeren Kinder und Jugendlichen in Schulen gemobbt und fast die Hälfte (46 Prozent) fühlt sich nicht unterstützt - egal ob innerhalb der Klasse oder von Lehrern.
Frank G. Pohl, Leiter der NRW-Fachberatungsstelle "Schule der Vielfalt", hat mit dem WDR darüber gesprochen, wie Eltern ihre queeren Kinder gegen Anfeindungen im Schulalltag schützen können. Anlass dafür ist der internationale Tag gegen Homophobie, der seit dem 17. Mai 1990 stattfindet: Damals beschloss die Weltgesundheitsorganisation (WHO), Homosexualität von der Liste psychischer Krankheiten zu streichen.
Das eigene Kind positiv bestärken
Die Unterstützung queerer Kinder und Jugendlicher beginnt bereits vor deren Coming-out, sagte Pohl im Gespräch mit dem WDR. "Es ist wichtig, dass Elternteile bereits vor einem möglichen Coming-out ihres Kindes für sich akzeptieren, wenn sich ihr Kind nicht geschlechterkonform verhält oder präsentiert, also ihnen Dinge an ihrem Kind auffallen, die nicht zu den üblichen Geschlechterrollen passen."
Leiter der Beratungsstelle "Schule der Vielfalt": Frank G. Pohl
Nach einem Coming-out sei es zunächst wichtig, sein Kind positiv zu bestärken. "Auch bei toleranten Eltern besteht bei den Kindern und Jugendlichen die Angst, bei Eltern, Freunden und Schulen Enttäuschung zu produzieren", sagt Pohl. "Damit sie diese Sorge verlieren, sollten sich Eltern beim Kind ausdrücklich bedanken, wenn es wagt, über das Thema zu sprechen."
Auf gesellschaftliche Realität aufmerksam machen
Im weiteren Verlauf sollten Eltern mit ihrem Kind besprechen, ob und wann die Schule darüber informiert werden soll. "Möglicherweise hat das Kind bereits mit anderen Schülern darüber gesprochen oder es möchte gar nicht, dass die Schule in Kenntnis gesetzt wird", schilderte Pohl die unterschiedlichen Ausgangslagen und Wünsche von Kindern und Jugendlichen.
Bei der Frage, ob es weitere Schritte geben soll, sei ein Hinweis besonders wichtig: "Eltern sollten ihrem Kind deutlich machen, dass es gesellschaftliche Realität ist, dass ablehnende Reaktionen auf sein Coming-out möglich sind." Und falls das Kind von solchen Erfahrungen berichtet, sollten Eltern das weitere Vorgehen immer mit den Kindern besprechen, bevor sie konkrete Maßnahmen in die Wege leiten.
Beim Anspruch der Schule ansetzen
Eltern sollten sich schlaumachen, welche Haltung die Schule beim Thema Homophobie einnehme, sagte Pohl. "Manche Schulen haben Konzepte, wie sie sich bei Mobbing und Diskriminierung verhalten wollen." Solche Vereinbarungen lieferten Ansatzpunkte und Argumente, um mit der Schule ins Gespräch zu kommen. "Gut ist es natürlich, wenn sich Eltern bereits vor der Anmeldung an die weiterführende Schule nach diesen Informationen auf der Webseite der Schule suchen."
Bei Problemen mit Mitschülern seien die konkreten Ansprechpartner zunächst die Klassenleitung auf Lehrerebene und die Klassenpflegschaft auf Elternebene. Falls das Verhalten eines Lehrers als diskriminierend wahrgenommen werde, empfiehlt Pohl den direkten Kontakt mit dem Lehrer, um ihn auf das Unbehagen anzusprechen.
Das direkte Gespräch suchen
"Kontraproduktiv ist es, wenn man sofort die Schulleitung oder die Bezirksregierung einschaltet." Um nicht unnötige Abwehrreaktionen auszulösen, sollten das erst nächste Schritte sein. "Manchmal handelt es sich um unbedachte Äußerungen, die schnell korrigiert werden können", so Pohl.
Parallel dazu könne es auch hilfreich sein, sich beraten zu lassen und im Fachgespräch die Situation an der eigenen Schule einzuordnen. "So etwas ist zum Beispiel hilfreich, wenn ein Junge sich als schwul geoutet hat und er bei der Klassenfahrt nicht auf ein Jungenzimmer soll." In solchen Fällen sei manchmal auch sinnvoll, die Rechtslage zu kennen.
Beratungsstellen in NRW
In NRW gibt es regionale LSBTIQ+-Beratungsstellen und für spezielle schulische Fragen die NRW-Fachberatungsstelle "Schule der Vielfalt". "An diese Stellen können sich Eltern auch wenden, wenn sie mit ihrem Anliegen bei der Schule nicht das von ihnen erwartete Gehör finden", sagte Pohl.