Wenn es nach dem Chef des Amtsärzteverbands Johannes Nießen geht, könnten viele Menschen in Deutschland künftig in den Sommermonaten eine lange Pause haben. Er schlägt vor, in den Sommermonaten in Deutschland eine Siesta einzuführen.
"Wir lernen da von den südlichen Ländern", so der Vorsitzende des Bundesverbands der Ärztinnen und Ärzte des öffentlichen Gesundheitsdienstes gegenüber dem WDR. "Die arbeiten morgens intensiv und dann, wenn es eben nicht mehr so heiß ist, am Nachmittag bis zum späteren Abend."
Unterstützung für die Idee folgte prompt. "Siesta in der Hitze ist sicherlich kein schlechter Vorschlag", schrieb beispielsweise Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) auf Twitter. Und auch die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) befürwortet die Idee.
Siesta würde zu zirkadianem Rhythmus passen
Wieso auch nicht. Rein biologisch betrachtet gibt es wenig, was dagegen spricht. Über Jahrtausende hat sich der menschliche Körper an den Wechsel zwischen Tag und Nacht angepasst. Dieser sogenannte zirkadiane Rhythmus beeinflusst, wie fit wir im Tagesverlauf sind und wie gut wir uns konzentrieren können.
Studien zeigen, dass diese Belastbarkeitskurve ihren Höhepunkt im Laufe des Vormittags erreicht, um dann über die Mittagsstunden wieder abzusinken. Erst gegen Nachmittag steigt sie wieder, um dann etwa zwischen 16 und 18 Uhr wieder ein Hoch zu erreichen. Die Siesta würde genau dieses Tief in der Mittagszeit überbrücken.
Kein Wunder also, dass diese verlängerte Mittagsruhe in den südeuropäischen Ländern schon seit jeher praktiziert wird. Aber ist das auch heute wirklich noch so?
Spanien: Verkürzte Mittagspause
Grundsätzlich sei die Siesta gerade im Süden Spaniens noch immer gelebte Praxis, sagt der Mediziner Dr. Miguel Ruiz Marín, der am Universitätskrankenhaus Reina Sofía in Murcia arbeitet. "Allerdings gilt das in erster Linie für Menschen, die so eine Mittagspause grundsätzlich mit ihren Arbeitszeiten in Einklang bringen können."
Vor allem im Süden der Iberischen Halbinsel, wo die Temperaturen im Sommer ziwschen 14 und 17 Uhr über 40 Grad erreichen könnten, sei das durchaus sinnvoll. "Medizinische Studien zeigen, dass die Mittagspause nicht nur die Müdigkeit verringert, sondern dadurch unter anderem auch die Konzentration steigt und die Gedächtnisfunktion verbessert wird", sagt Ruiz Marín.
Trotz dieser Vorteile wird die Mittagsruhe immer seltener. "Laut Umfragen machen das nicht einmal mehr ein Fünftel der Spanier", sagt Reinhard Spiegelhauer, Korrespondent im ARD-Studio Madrid. Gerade im Norden Spaniens werde es auch im Sommer nicht so heiß und in den Städten gebe es in Büros, Supermärkten und der Produktion Klimaanlagen.
Die Folge: Die meisten Spanier machen zwar noch eine Mittagspause - "auch lieber eine ganze als nur eine halbe Stunde", so Spiegelhauer. Eine dreistündige Mittagsruhe, wie wir sie uns vorstellen, wenn wir an Spanien denken, ist es aber nicht.
Griechenland: Mittagsschlaf eine Seltenheit
In Griechenland gilt eine Mittagsruhe von 15 bis 17.30 Uhr - ganz offiziell, angewiesen von der griechischen Polizei. "Nachmittags Anrufe zu tätigen, gilt, wenn es sich nicht um Behörden handelt, als flegelhaftes Verhalten", sagt der Griechenland-Korrespondent der ARD, Moritz Pompl. Dass sich die Griechen in dieser Zeit zu einer ausgedehnten Mittagsruhe zurückziehen, sei aber ein Mythos.
"Viele haben heute Bürojobs oder arbeiten in der Tourismusbranche", sagt Pompl. "Ein Mittagsschläfchen ist da in den seltensten Fällen drin." Allerdings werde die Siesta noch im Bereich der Landwirtschaft praktiziert, einfach weil es mittags zu heiß werde, um draußen zu arbeiten.
Italien: Siesta nur noch in der Landwirtschaft
Auch in Italien, vor allem im Norden, ist die Siesta zur Ausnahme geworden. Grund dafür ist auch hier das moderne Arbeitsleben. Offiziell gilt die Mittagspause trotzdem zwischen 13 und 16 Uhr. "In Mehrfamilienhäusern etwa ist Lärm verboten. Die Kinder sollen nicht laut draußen spielen und Sportanlagen innerhalb eines Wohnkomplexes sind geschlossen", berichtet die ARD-Korrespondentin Elisabeth Pongratz aus Rom.