Billige Klamotten und ständig neue Kollektionen - früher waren das die Besonderheiten der Bekleidungsriesen H&M und Zara. Zwar sind die Modekonzerne weiterhin große Player. Aber die Konkurrenz wächst. Vor ein paar Jahren sorgte die Billigkette Primark für Aufsehen, da sie die beiden Platzhirsche bei den Preisen unterbietet - Kritiker sagen, auf Kosten der Arbeitsbedingungen in der Produktion.
In der Zwischenzeit hat sich noch ein anderer Modehändler etabliert, der für extrem billige Klamotten steht: Shein. Die Onlinemarke kommt aus China und macht sich inzwischen weltweit breit. Laut dem amerikanischen "Wall Street Journal" wurde der Wert des Unternehmens im vergangenen Jahr auf 100 Milliarden Dollar geschätzt. Shein sei damit eines der wertvollsten Privatunternehmen der Welt. "Die Marktbedeutung ist in Deutschland bereits jetzt geschätzt so groß wie diejenige der Billigmodekette Primark - wächst aber erheblich", sagte dieser Tage der Handelsprofessor Gerrit Heinemann der "Welt am Sonntag".
Millionen Follower und extrem niedrige Preise
Groß geworden ist Shein durch die Präsenz auf diversen Social Media-Kanälen. Auf Instagram folgen dem Account zum Beispiel 27,4 Millionen User. Via TikTok und Youtube präsentiert die meist junge Kundschaft ihre Einkäufe in kurzen Videos. Da geht es dann nicht nur um ein, zwei Hosen und ein passendes Oberteil. Bis zum Rand gefüllte Pakete werden geöffnet und alle Produkte einzeln vorgeführt.
Solche großen Einkäufe sind durch die extrem niedrigen Preise und ständigen Rabattaktionen möglich, die es im Onlineshop gibt. Ein Rock kostet dadurch zum Beispiel mal schlappe 3,25 Euro oder ein elegantes Kleid 8,35 Euro.
"Die Spirale dreht sich immer schneller"
Shein steht damit stellvertretend für einen Trend namens "Fast Fashion". Das Bundesumweltministerium erklärt den so: "Neue Trends und Kollektionen kommen in immer kürzeren Abständen auf den Markt, die Spirale dreht sich immer schneller." Viele Kleidungsstücke würden nur für eine Saison gekauft und qualitativ minderwertig produziert.
Im Schnitt kaufe schon jetzt jede Verbraucherin und jeder Verbraucher in Deutschland jährlich 60 Kleidungsstücke. Dabei werde jedes fünfte Kleidungsstück so gut wie nie getragen. "Alle Anzeichen einer exzessiven, nicht-nachhaltigen Entwicklung sind erfüllt", sagt das Ministerium.
Bei Shein heißt es: "Wir glauben, dass die Schönheit der Mode für alle zugänglich sein sollte, nicht nur für die wenigen Privilegierten." Und weiter: "Wir verwenden On-Demand-Fertigungstechnologie, um Lieferanten mit unserer agilen Lieferkette zu verbinden, Lagerabfälle zu reduzieren und es uns zu ermöglichen, eine Vielzahl erschwinglicher Produkte an Kunden auf der ganzen Welt zu liefern."
Greenpeace entdeckt gefährliche Chemikalien
Schaufensterpuppen des ersten permanenten Showrooms des chinesischen Fast-Fashion-Riesen Shein in Tokio
Doch es gibt auch Kritik. Die kommt unter anderem von der Umweltschutzorganisation Greenpeace. "Dieses Geschäftsmodell beruht auf der Ausbeutung von Umwelt und Menschen, es setzt gezielt auf eine mangelnde Durchsetzung von Gesetzen zum Schutz der Gesundheit und Sicherheit von Arbeiter:innen und Konsument:innen - sowie des Klima- und Umweltschutzes", heißt es in einem Bericht von November 2022.
In einer speziellen Untersuchung wurde geschaut, ob und wie sehr Chemikalien bei der Produktion verwendet werden. Dafür kaufte Greenpeace 42 Shein-Artikel und ließ sie analysieren. "Die Ergebnisse aus dem Labor lassen keine Zweifel offen: Shein nimmt für den Profit fahrlässig Risiken für Umwelt und Gesundheit in Kauf", sagt Greenpeace. So hätten 15 Prozent der Produkte gefährliche Chemikalien enthalten, die über dem gesetzlich erlaubten EU-Grenzwert lägen.
In einer Erklärung zur Umweltverträglichkeit heißt es von Shein, dass der Umweltschutz "wichtig" sei und man jeden Tag "hart" daran arbeite, "unsere Auswirkungen auf die Umwelt zu reduzieren". Von den Lieferanten werde verlangt, dass sie die Gesetze und Vorschriften in den entsprechenden Ländern "strikt einhalten".
Woher kommt die Baumwolle?
Doch auch bei einem anderen Thema steht der chinesische Modehändler im Fokus. Es geht um die Herkunft der verwendeten Baumwolle. Schon lange gibt es den Verdacht, dass Baumwolle in bekannten Modemarken unter Zwangsarbeit in China geerntet oder weiterverarbeitet werden soll. Das Reportageformat STRG_F des NDR hat sich damit im vergangenen Jahr beschäftigt. "In Klamotten von Shein und anderen Marken könnte Baumwolle aus Zwangsarbeit drinstecken. Und zwar aus der abgeschotteten Region Xinjiang in China. Dort sollen Menschen zur Arbeit auf Baumwollfeldern und zum Nähen in Fabriken gezwungen werden", sagt Reporter Manuel Daubenberger.
Das Problem sei auch den großen Kleidermarken bekannt. Viele hätten abgestritten, Baumwolle aus Xinjiang zu beziehen. "Shein zum Beispiel sagt, sie würden ihre Baumwollprodukte nur von angesehenen Zulieferbetrieben beziehen." In einem Labor wurde das aufwendig nachgeprüft. Das Ergebnis: In den untersuchten Klamotten von Shein - und auch anderen Marken - ist offenbar Baumwolle aus Xinjiang.
Menschen stehen Schlange, um den Shein-"Showroom" in Barcelona zu betreten
Der Beliebtheit schadet das aber nicht. Im Gegenteil. Inzwischen drängt der chinesische Onlinehändler auch in den klassischen stationären Handel - und zwar in Form von kleinen Pop-up-Stores, die nur vorübergehend betrieben werden. Im Sommer 2022 gab es einen solchen Store in Berlin, kurz vor Weihnachten auch in der Kölner Innenstadt - für fünf Tage.