Eine Männerhand liegt auf einer Mädchenhand (gestellte Szene)

Mehr Fälle von sexuellem Missbrauch - NRW stark betroffen

Stand: 08.07.2024, 09:30 Uhr

Im vergangenen Jahr wurden in Deutschland mehr Fälle von sexuellem Missbrauch von Kindern erfasst als in den Vorjahren. Laut Lagebild des Bundeskriminalamts (BKA) stieg die Zahl im Vergleich zum Vorjahr um 5,5 Prozent.

In keinem anderen Bundesland werden so viele Fälle von sexuellem Missbrauch von Kindern erfasst wie in Nordrhein-Westfalen. In NRW lag die Zahl im vergangenen Jahr bei 5.065 Fällen. Und auch wenn man die Zahl der Tatverdächtigen ins Verhältnis zur Gesamtbevölkerung setzt, schneidet NRW bundesweit am zweitschlechtesten ab. Nur in Sachsen-Anhalt gab es mehr Tatverdächtige pro 100.000 Einwohner.

Mehr Fälle durch intensivere Ermittlungen?

Auch der Anstieg der Fälle ist im Westen besonders stark ausgeprägt. 2023 gab es 22,6 Prozent mehr Fälle als noch im Vorjahr. Bundesweit stieg die Zahl lediglich um 5,5 Prozent von 15.520 auf 16.375 Fälle. Allerdings wird im Lagebild des BKA ausdrücklich auf das Dunkelfeld hingewiesen. Der Anstieg der Fälle könnte demnach damit zusammenhängen, dass die Ermittlungsbehörden genauer hinschauen.

Täter fast immer männlich - Opfer eher weiblich

Insgesamt registrierten die Ermittlungsbehörden bundesweit 11.900 Tatverdächtige. 94 Prozent davon sind männlich, Frauen machen nur sechs Prozent der Gesamtzahl aus. Von den insgesamt 18.497 Kindern, die im vergangenen Jahr Opfer von sexuellem Missbrauch wurden, sind drei Viertel weiblich.

Deutsche machen mit 81 Prozent den größten Teil der Tatverdächtigen aus, der Anteil der nichtdeutschen Tatverdächtigen liegt bei knapp 19 Prozent. Unter den Opfern sind 16,4 Prozent Nichtdeutsche.

Täter und Opfer kennen sich meistens

In mehr als der Hälfte der Fälle bestand laut BKA-Lagebericht eine "Vorbeziehung", Täter und Opfer kannten sich also. Am häufigsten handelte es sich dabei um Freundschaften beziehungsweise Bekanntschaften, gefolgt von Verbindungen innerhalb der Familie. Dahinter kommen sogenannte formelle soziale Beziehungen, wie Trainer und Schützling in einem Sportverein, Lehrer und Schüler in Musikschulen oder andere Beziehungen in Bildungs- und Freizeiteinrichtungen.

Kinderarzt: Sexualität nicht tabuisieren

Wie kann man Kinder besser schützen? Aus Sicht von Kinderarzt Michael Achenbach aus Plettenberg liegt der Schlüssel in der Erziehung, Sexualität dürfe nicht tabuisiert werden. "Unsere Kinder müssen lernen, das Thema Sexualität ausdrücken zu können", sagt der Kinderarzt. Andernfalls falle es Kindern schwer darüber zu sprechen, wenn ihnen sexualisierte Gewalt angetan wird. Darüber hinaus müssten Kinder in der Erziehung in die Lage versetzt werden, selbst Grenzen zu setzen, so Achenbach.

Jürgen Freiberg von der Kinderschutzambulanz der Uniklinik Bonn appelliert an die Bevölkerung, aufmerksam zu sein und in Verdachtsfällen tätig zu werden. "Jeder Bürger kann sich, wenn er in Sorge ist, anonymisiert beim Jugendamt beraten lassen", sagt er.

Verfolgung von Kinderpornografie: Wo KI sinnvoll ist

WDR 5 Morgenecho - Interview 08.07.2024 11:06 Min. Verfügbar bis 08.07.2025 WDR 5


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Unsere Quellen:

  • Bundeskriminalamt - Bundeslagebild 2023
  • WDR-Interview mit Kinderarzt Michael Achenbach
  • WDR-Interview mit Jürgen Freiberg, Kinderschutzambulanz Uniklinik Bonn

Über dieses Thema berichtet der WDR am 8. Juli 2024 auch im Fernsehen. Unter anderem in der "Aktuellen Stunde" um 18.45 Uhr.

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