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Gesetzentwurf liegt vor: Schnellere Einbürgerung, doppelte Staatsbürgerschaft
Stand: 07.01.2023, 10:42 Uhr
Die geplante schnellere Einbürgerung sorgt für politischen Streit. Hoffnung machen sich unter anderem Türken in Deutschland - wegen der doppelten Staatsbürgerschaft. Die Innenministerin hat jetzt einen Entwurf vorgelegt.
Von Jörn Seidel
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Ausländer in Deutschland können auf eine schnellere Einbürgerung hoffen. Ein entsprechender Entwurf des Bundesinnenministeriums für ein neues Staatsangehörigkeitsrecht liegt jetzt vor. Nun sollen die anderen Regierungsressorts darüber beraten. Das im Koalitionsvertrag vereinbarte Vorhaben lockert unter anderem für bestimmte Gruppen die Anforderungen an den Erwerb der deutschen Sprache. Außerdem wird die Mindestaufenthaltszeit bis zur Antragstellung verkürzt.
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Wozu soll die Wartezeit bis zur Einbürgerung eigentlich verkürzt werden? Warum soll häufiger die doppelte Staatsbürgerschaft erlaubt sein? Weshalb ist das besonders für Türken in Deutschland interessant? Und welche Argumente gibt es gegen die Pläne? Fragen und Antworten.
Warum soll die Einbürgerung schneller als bisher erfolgen?
Die Einbürgerung soll künftig in der Regel schon nach fünf statt nach acht Jahren möglich sein. Auf diesen Plan hatte sich die Ampel-Regierung schon im Koalitionsvertrag geeinigt. Das Bundesinnenministeriums hat nun einen Entwurf für ein neues Staatsangehörigkeitsrecht vorgelegt. Darüber sollen die Regierungsressorts jetzt beraten. In einem Gastbeitrag für den "Tagesspiegel" hatte Bundesinnenministerin Nancy Faeser geschrieben:
"Ich wünsche mir, dass sich Menschen mit Einwanderungsgeschichte in Deutschland willkommen und wirklich zugehörig fühlen." Nancy Faeser (SPD), Bundesinnenministerin

Nancy Faeser (SPD)
Dazu sollten sie auch wählen und für öffentliche Ämter kandidieren dürfen, wofür die Staatsbürgerschaft Voraussetzung sei, so Faeser. Die Einbürgerung stärke auch die Integration. "Denn wer Deutsche oder Deutscher werden will, sagt Ja zum Leben in einer freiheitlichen Gesellschaft, zur Achtung des Grundgesetzes, zur Rechtsstaatlichkeit und zur Gleichberechtigung von Mann und Frau", so die Ministerin.
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Der Soziologe und Integrationsforscher Aladin El-Mafaalani von der Uni Osnabrück sagte dem WDR, es sei für die Demokratie ein großes Problem, wenn in einzelnen Stadtteilen ein Großteil der Bevölkerung nicht wahlberechtigt sei. Wer bestimmte Kriterien erfülle, sollte auch schon nach weniger als acht Jahren die Chance haben, eingebürgert zu werden.
Darüber hinaus soll eine schnellere Einbürgerung auch den Fachkräftemangel lindern. So schreibt es die Bundesregierung in ihrer im Oktober beschlossenen Fachkräftestrategie.
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Und so sieht es auch der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher. "Eine klare Perspektive auf Staatsangehörigkeit ist ein wichtiges Element, um Deutschland attraktiver für ausländische Fachkräfte zu machen", sagte er dem "Handelsblatt".
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Petra Bendel, Migrationsforscherin
Petra Bendel, Vorsitzende des Sachverständigenrats für Integration und Migration hält die schnellere Einbürgerung hingegen für nicht so wichtig für die Anwerbung von Fachkräften. Im Gespräch mit dem WDR verwies sie darauf, dass das vor allem über das Fachkräfteeinwanderungsgesetz geregelt werde.
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Im EU-weiten Vergleich bürgert Deutschland übrigens nicht besonders viele Menschen ein - gemessen an der Zahl derjenigen Menschen, die ohne deutsche Staatsbürgerschaft in Deutschland leben. Die höchste Einbürgerungsrate hatte 2020 Schweden. Dort wurden 8,6 Prozent aller Ausländer, die in dem Jahr dort lebten, eingebürgert. In Deutschland lag die Rate bei 1,1 Prozent.
Warum soll häufiger die doppelte Staatsbürgerschaft erlaubt sein?
Innenministerin Faeser meint: Es sei "falsch, Menschen dazu zu zwingen, ihre alte Staatsangehörigkeit aufzugeben". Denn die alte Staatsbürgerschaft gehöre für viele zur Identität. Der deutsche Grundsatz, dass doppelte Staatsbürgerschaften in der Regel nicht erlaubt seien, habe zur Folge, dass viele Menschen auf die Einbürgerung verzichten. Das stehe ihrer Teilhabe und Integration im Wege.
Tatsächlich ist die doppelte Staatsbürgerschaft in Deutschland eine Ausnahme. Laut Mikrozensus 2021 gibt es in Deutschland etwa 2,9 Millionen Doppelstaatler. Das entspricht etwa 3,5 Prozent der Bevölkerung. Das Statistische Bundesamt geht allerdings davon aus, dass die tatsächliche Zahl höher ist. Die meisten Doppelstaatler stammen aus Polen, Russland und der Türkei.
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Anrecht auf die doppelte Staatsbürgerschaft haben bislang unter anderem:
- Menschen, deren Herkunftsland die alte Staatsbürgerschaft nicht zurücknimmt (z.B. Iran, Afghanistan, Marokko)
- Kinder von Eltern mit deutscher und anderer Staatsbürgerschaft
- Flüchtlinge, z.B. wenn ihnen im Heimatland Verfolgung droht
- eingewanderte Israelis
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Warum ist vor allem Türken die doppelte Staatsbürgerschaft wichtig?
In Deutschland leben laut Mirkozensus etwa 280.000 Menschen, die sowohl die türkische als auch die deutsche Staatsbürgerschaft haben. Diese doppelte Staatsbürgerschaft basiert bislang aber auf Ausnahmeregelungen. Denn bisher gilt das Prinzip, Mehrstaatigkeit zu vermeiden.
Derzeit leben in Deutschland knapp 1,5 Millionen Türkinnen und Türken ohne deutschen Pass. Das ist etwa jeder achte Ausländer. Für viele von ihnen ist die türkische Staatsbürgerschaft Ausdruck ihrer Identität, daher wollen sie sie nicht aufgeben und sich nicht einbürgern lassen.

Gökay Sofuoglu, Türkische Gemeinde in Deutschland
Gökay Sofuoglu, Bundesvorsitzender der Türkischen Gemeinde in Deutschland, begrüßt die Pläne der Bundesregierung zur schnelleren Einbürgerung. "Besonders, weil die Möglichkeit zur doppelten Staatsbürgerschaft gewährt wird, das ist dabei entscheidend."
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Welche Argumente gibt es gegen die Pläne zur schnelleren Einbürgerung?
CDU-Chef Friedrich Merz warnte vor einer "Einwanderung in die Sozialsysteme". Außerdem sollten doppelte Staatsbürgerschaften nicht zum "Regelfall" werden, sagte er in der ARD-Sendung "Bericht aus Berlin".
CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt hatte in der "Bild"-Zeitung argumentiert: "Die deutsche Staatsbürgerschaft zu verramschen, fördert nicht die Integration, sondern bezweckt geradezu das Gegenteil und wird zusätzliche Pulleffekte bei der illegalen Migration auslösen."

Alexander Throm (CDU)
Der innenpolitische Sprecher der Unionsbundestagsfraktion, Alexander Throm (CDU), sagte am Dienstag dem WDR, dass er die Einbürgerung erst "am Ende einer erfolgreichen Integrationsgeschichte" sehe.
"Es gilt eben auch hier der Satz: Drum prüfe, wer sich ewig bindet. Und das ist bei der deutschen Staatsbürgerschaft so." Alexander Throm (CDU)
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Die FDP ist gespaltener Meinung. Generalsekretär Bijan Djir-Sarai sagte der "Rheinischen Post": "Eine Entwertung der deutschen Staatsbürgerschaft wird es mit der FDP nicht geben." Außerdem sei es der falsche Zeitpunkt. Zunächst brauche es "Fortschritte bei der Rückführung und Bekämpfung der illegalen Migration."
Der FDP-Innenexperte Stephan Thomae bemühte sich, der Kritik etwas die Spitze zu nehmen. Er sagte: "Grundsätzlich wollen wir auch Mehrstaatigkeit ermöglichen, allerdings mit klaren Regeln, damit sich doppelte Staatsangehörigkeiten nicht immer weiter vererben." Faesers Entwurf setze viele Vereinbarungen aus dem Koalitionsvertrag um - "in Detailfragen sehen wir aber noch Abstimmungsbedarf".