Ministerbesuch in Witten: Wie eine alte Problem-Müllkippe zum Vorbild wird

Stand: 06.12.2023, 18:46 Uhr

NRW-Umweltminister Krischer hat eine besondere Baustelle in Witten besucht. Dort wird seit kurzem der Boden unter einer ehemaligen illegalen Industriemüllkippe von umweltschädlichen Giften befreit.

Von Daniel Chur

Bei Nieselregen und nasskalten Temperaturen und mit weißen Bauhelmen ausgestattet steht der Tross mit Leuten vor der tiefen Baugrube in Witten-Annen. Die Blicke von NRW-Umweltminister Oliver Krischer (Grüne), dem Landrat des Ennepe-Ruhr-Kreises Olaf Schade (SPD), des Wittener Bürgermeisters Lars König (CDU) sowie der Vertreter des Verbands für Flächenrecycling und Altlastensanierung (AAV) richten sich nach unten. Da, wo es seit Jahrzehnten der Boden verseucht ist.

Sogar schon Todesfall durch die Müllkippe

Die 6.000 Quadratmeter große Fläche "Auf der Schlinke" in Witten hat eine jahrzehntelange Geschichte. Nach dem Krieg wurde sie von heimischen Firmen als illegaler Müllplatz genutzt. Zahlreiche Dioxine, Furane und Chlorphenole wurden dort immer wieder abgekippt. 1957 starb ein 9-jähriger Junge, weil er Kontakt mit dem Giftmüll hatte.

Das Gelände 1957: Metalltonnen mit Giftstoffen wurden in dem alten Steinbruch einfach so abgekippt | Bildquelle: Ennepe-Ruhr-Kreis, aus privatem Bestand

Auch, wenn dort schon seit gut fünfzig Jahren kein Müll mehr abgekippt wurde, so bleibt der Boden verseucht. Wenn Regenwasser durch ihn durchsickert, ist auch das Grundwasser gefährdet. Darum gibt es seit Jahren in Witten-Annen eine Grundwasser-Reinigungsanlage. Eine Dauerlösung ist das nicht.

Grundwasser vor Gift schützen

Die kommt aber jetzt. Seit Wochen arbeitet der AAV zusammen mit Bauunternehmen an einem Drainagesystem für das Gebiet. Im Mittelpunkt: Ein zehn Meter breiter und zwanzig Meter tiefer Tunnel, durch den das schadstoffbelastete Regenwasser in eine Kläranlage fließen soll. Kleine Rohre sollen dann - wie in einer klassischen Drainage - von allen Ecken der Fläche in diesen Schacht führen.

Ein aufwändiges, inzwischen über drei Millionen teures Projekt, das aber nötig und vorbildlich sei, unterstreicht Oliver Krischer mit seinem Besuch am Mittwoch. "Diese Fläche hat eine lange Geschichte mit vielen Diskussionen erlebt", so der Minister, "Dass jetzt eine endgültige und dauerhafte Lösung gefunden wird, ist ein gutes Zeichen. Und ein Beispiel dafür, dass wir bei diesem Problem vorankommen."

NRW-Umweltminister besucht Giftmüll-Baustelle in Witten 00:43 Min. Verfügbar bis 06.12.2025

Viele Altlasten in ganz Nordrhein-Westfalen

Ein landesweites Problem, betont der Grünen-Politiker: In NRW gebe es aktuell rund 80.000 Flächen mit solchen Altlasten oder Altlast-Verdachtsfällen. Man müsse noch viele Flächen untersuchen und letztendlich alle von Altlasten befreien. Im Sinne der Natur, der Gesundheit - aber auch, um im ganzen Land rare Bauflächen wiederzubekommen.

In Witten-Annen wird es weniger um neue Bauflächen gehen, als vielmehr darum, den dort bereits lebenden Anwohnern mehr Sicherheit zu geben. Rund um die Fläche stehen Wohnhäuser. Wittens Bürgermeister Lars König betont auch mit Blick auf die jetzigen Bauarbeiten, es sei wichtig, die Belastungen für die Anwohner möglichst gering zu halten.

Ab nächster Woche Sprengungen

Der erste Schritt zum Schacht ist diese Baubrube | Bildquelle: WDR/Chur

Trotzdem werden die nächsten Wochen ihnen einiges abverlangen. Denn noch ist die tiefe Baugrube auf dem Gelände nur die Vorarbeit für den Drainage-Schacht. Während bislang nur gebaggert wurde, wird ab kommender Woche im Gestein gesprengt, um den Schacht zu bauen.

Der AAV betont, dass diese Sprengungen unter strenger Aufsicht passieren werden. So sollen in allen Wohnhäusern Messgeräte stehen, die Erschütterungen durch die Sprengungen aufzeichnen und so auch etwaige Beschädigungen an den Häusern lokalisieren können. Das alles verknüpft mit der Hoffnung, dass Ende 2024 die Arbeiten abgeschlossen sein werden - und in jeder Hinsicht Ruhe in Witten-Annen einkehrt.

Unsere Quellen:

  • WDR-Reporter vor Ort
  • Ennepe-Ruhr-Kreis
  • Verband für Flächenrecycling und Altlastensanierung (AAV)

Über dieses berichtet der WDR am 06.12.2023 im Radio in der WDR 2 Lokalzeit Rhein/Ruhr.