Verseuchtes Erbe: Dortmund will ehemaliges Envio-Gelände sanieren

Stand: 17.09.2023, 06:00 Uhr

In NRW sind rund 3.000 Flächen mit Schadstoffen belastet. Mehr als 28.000 weitere gelten als Verdachtsfälle. Das Problem: die Eigentümer sind oft insolvent, sodass die Kommunen die Sanierung übernehmen müssen – so wie im Fall von Envio in Dortmund.

Von Daniela Becker

Eigentlich ist die 5,5 Hektar große Fläche an der Kanalstraße im Dortmunder Hafen ein Filetstück. Heiß begehrt bei Logistikern und Schifffahrtsunternehmen. Doch das Gelände liegt seit Jahren weitgehend brach. Denn es ist mit dem krebserregenden Stoff PCB verseucht. Bis Mai 2010 hatte das Recyclingunternehmen Envio hier seinen Sitz.

Envio: Einer der größten Umweltskandale von NRW

Rückblick: Jahrelang wurden auf dem Gelände PCB-haltige Transformatoren ohne die notwendigen Sicherheitsvorkehrungen ausgeschlachtet. Der krebserregende Stoff gelangte in das Blut der Mitarbeiter, viele sind heute krank und arbeitsunfähig. Und es verseuchte die Böden und rieselte auf umliegenden Fläche, wie etwa auf eine angrenzende Kleingartenanlage.

Dortmund plant jetzt einen Industriecampus

13 Jahre nach dem Ende von Envio will die Stadt das Gelände wieder nutzbar machen. In einer Vorlage, die der Rat beschlossen hat, werden die Pläne skizziert. "Wir versuchen hier Gewerbetreibenden, zum Beispiel aus dem Technologiezentrum, die jetzt in die Produktion gehen möchten, einen Ort zu geben.", sagt die Dortmunder SPD-Fraktionsvorsitzende Carla Neumann-Lieven. Doch die Kosten dafür sind hoch: mindestens 51 Millionen Euro veranschlagt die Wirtschaftsförderung.

Wieviel Gift ist noch im Boden?  

Darin noch nicht eingepreist sind mögliche weitere Sanierungsmaßnahmen. Dabei hat die Bezirksregierung Arnsberg das Gelände bereits aufwendig saniert, viel PCB beseitigt. Doch einige der alten Envio-Hallen stehen bis heute. "Hier ist weiterhin eine PCB-Belastung der Gebäudesubstanz zu erwarten", heißt es in der Dortmunder Ratsvorlage.

"Aber je weniger Flächen wir haben, umso eher wird sich das rechnen", zeigt sich Neumann-Lieven optimistisch. Das Gebiet im Hafen ist eines der letzten großen freien Industrieflächen, die Dortmund noch hat.

3000 verseuchte Flächen in NRW

Dortmund ist mit dem Problem nicht alleine. In NRW gibt es mindestens 3000 verseuchte oder belastete Flächen. Eigentlich haftet der Eigentümer des Grundstücks für die Sanierung, doch häufig ist dieser insolvent oder nicht auffindbar, klagen viele Kommunen.

Wiehl: Quecksilber seit 26 Jahren im Boden

So wie die Stadt Wiehl im Oberbergischen Kreis. Hier schlummert in der Ortschaft Oberbantenberg seit 26 Jahren eine Gewerbeflächen-Brache vor sich hin – stark mit Quecksilber belastet. Die Firma Aqua Control GmbH hat hier Leuchtstoffröhren geschreddert. Hinter der Einzäunung findet man bei genauem Hinsehen Warnschilder mit dem Hinweis auf Altlasten.

Anwohner kritisieren die Stadt

Das Gelände in Wiehl ist mit Quecksilber verseucht | Bildquelle: WDR

„Das ist eine Farce“, sagt Anwohner Gerd Stähler. Er wohnt oberhalb des verseuchten Geländes. Der 83-Jährige versteht nicht, warum die Stadt das Gelände nicht längst saniert hat. Vor einigen Jahren war das im Gespräch. Kosten von 200.000 Euro standen im Raum. Doch passiert sei nichts, kritisiert Stähler.

Eigentümer unauffindbar?

Die Stadt Wiehl antwortet auf WDR-Nachfrage, man habe versucht, Kontakt zum neuen Eigentümer des Geländes herzustellen. Doch ohne Erfolg. „Schriftliche Anfragen blieben unbeantwortet, es erfolgten mehrere Adresswechsel, telefonische Kontaktversuche scheiterten an offenbar nicht mehr gültigen Telefonnummern“, so die Stadt. Der letzte Ankaufversuch des Grundstücks liege 4 Jahre zurück.

Dabei sei das Problem drängender denn je, meint Gerd Stähler. Flächen seien knapp und es gebe ein „geändertes Umweltbewusstsein“ in der Gesellschaft.

Land stockt Förderung auf

Auch die Landesregierung sieht das wachsende Problem. Schon lange unterstützt das Land Städte und Gemeinden bei der Sanierung sogenannter Altlasten-Grundstücke – über den Verband Flächenrecycling und Altlasten (AAV) mit jährlich sieben Millionen Euro. Diese Summe soll 2024 um zwei Millionen Euro auf neun Millionen Euro aufgestockt werden.

Über dieses Thema berichtet u.a. die Sendung "Westpol" am 17.09.23 um 19:30 Uhr im WDR Fernsehen.