Vier der angeklagten Polizisten durften nach dem Schlussvortrag der Staatsanwaltschaft wohl erstmal aufatmen. Für sie hatten die Staatsanwälte Carsten Dombert und Gülkiz Yazir Freisprüche gefordert. Angeklagt waren sie, weil sie an einem Einsatz im August 2022 beteiligt waren, bei dem Mouhamed Dramé erschossen wurde. Einer der Angeklagten hatte mit einer Maschinenpistole auf Dramé geschossen, die anderen drei hatten Taser und Pfefferspray gegen ihn eingesetzt.
Vor rund einem Jahr hatte der Prozess vor dem Landgericht begonnen:
Lediglich der Einsatzleiter, der das Vorgehen geplant hatte, soll eine Strafe erhalten. Er habe sich nach Ansicht der Staatsanwaltschaft der Anstiftung zur gefährlichen Körperverletzung und der fahrlässigen Tötung schuldig gemacht. Die Staatsanwälte schlugen eine Freiheitsstrafe von 10 Monaten vor, die auch zur Bewährung ausgesetzt werden könnte. Außerdem soll er 5.000 Euro an eine Dortmunder Jugendeinrichtung zahlen.
Pfefferspray-Einsatz soll rechtswidrig gewesen sein
Der Einsatzleiter soll rechtswidrig den Einsatz von Pfefferspray gegen den 16-jährigen Geflüchteten Mouhamed Dramé angeordnet haben. Der habe zuvor "statisch" mit einem Messer im Hinterhof einer Jugendeinrichtung gehockt. Dramé befand sich zu dem Zeitpunkt in einer psychischen Ausnahmesituation und hatte das Messer gegen sich selbst gerichtet. Kontaktversuche von Betreuern und Polizisten waren gescheitert. Dramé sprach lediglich Französisch und Wolof, die Sprache seiner Heimatregion im Senegal.
Nachdem eine Polizistin auf Befehl des Einsatzleiters Pfefferspray einsetzte, eskalierte die Situation. Dramé habe sich erhoben und habe sich in die einzig mögliche Fluchtrichtung – in Richtung der Polizisten – bewegt. Daraufhin setzen zwei Polizisten Taser gegen ihn ein. Nur Sekunden später schoss einer der Polizisten sechsmal auf den Jugendlichen. Der starb an den Folgen eines Bauchschusses.
Einsatzleiter hätte über Alternativen nachdenken müssen
Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft hätte der Einsatzleiter vor Einsatz des Pfeffersprays die Lage neu bewerten und sich Gedanken über ein alternatives Vorgehen machen können. Zum Beispiel ein Spezialeinsatzkommando oder einen Dolmetscher hinzuzuziehen. Für den Einsatz des Pfeffersprays bestand zu dem Zeitpunkt überhaupt keine Notwendigkeit, so Oberstaatsanwalt Dombert: "Dadurch hat er eine Kette in Lauf gesetzt, die dann zum Tod von Mouhamed Dramé geführt hat."
Dass für die anderen vier Angeklagten Freisprüche gefordert wurden, lag am sogennanten "Tatbestandsirrtum". "Die Beamten, die die DEIGs eingesetzt hatten und der Schütze unterlagen alle einem Erlaubnistatbestandsirrtum. Das heißt: Sie haben sich eine Situation vorgestellt, die – hätte sie tatsächlich bestanden – sie berechtigt hätte, so einzugreifen, wie sie es getan haben", erklärte Dombert. Die Polizisten waren in dem Moment, als Dramé sich mit einem Messer in der Hand auf sie zu bewegte, davon ausgegangen, dass sie sich verteidigen müssen. Auch wenn nicht festzustellen war, dass Dramé die Polizisten tatsächlich angreifen wollte. Dieser Punkt war der Staatsanwaltschaft wichtig: Sie hätte keinen einzigen Anhaltspunkt dafür, dass der Jugendliche mit einem Angriffswillen auf die Beamten zugestürmt sei.
Urteil wird nächste Woche erwartet
Die Forderungen der Staatsanwaltschaft spiegeln lediglich deren rechtliche Bewertung des Sachverhalts wider. Am Mittwoch werden die Verteidiger der Polizisten und die Anwältin der Nebenklage, die die Angehörigen von Mouhamed Dramé vertritt, ihre Schlussvorträge halten. Am 12. Dezember soll ein Urteil gesprochen werden. Bis das rechtskräftig ist, gilt für alle Angeklagten die Unschuldsvermutung.
Unsere Quellen:
- Reporter im Gerichtssaal
- Plädoyers der Staatsanwaltschaft
Über dieses Thema berichteten wir am 2.12.2024 auch in der WDR 2 Lokalzeit aus Dortmund.