Er hat sich auf Straßen festgeklebt und auf der Rollbahn des Düsseldorfer Flughafens, er hat die RWE-Zentrale in Essen und das historische Rathaus in Hamburg mit Farbe beschmiert, Anfang 2023 war er zeitweise im Wochenrhythmus an Aktionen der Klimaaktivisten der "Letzten Generation" beteiligt.
"Ein bisschen wie David und Goliath"
Ausführlich schildert der 21-jährige Bottroper am Donnerstag vor Gericht seinen Werdegang und seine Beweggründe. Im Sommer 2021, da hatte er gerade sein Abitur, sei er nach der Flutkatastrophe als freiwilliger Helfer ins Ahrtal gegangen. Das habe ihn dazu gebracht, sich mit dem Klimawandel zu befassen. Und bald sei ihm klar geworden: "Ich muss etwas tun, ich muss mehr tun."“
Seit Oktober 2022 sei er an Klimaprotesten beteiligt, und er ist sicher: "Die Blockaden waren unglaublich effektiv, was die Aufmerksamkeit angeht." Dadurch seien Debatten angestoßen und Menschen mit dem Thema konfrontiert worden. "Wir setzen uns dem fossilen Weiter So und der Zerstörung unserer Zukunft in den Weg. Friedlich und bloß mit unserem Körper." Das sei ein bißchen wie David und Goliath.
Immer wieder in Handschellen
Aber der Protest habe seinen Preis, fügt der 21-Jährige hinzu: "Nach fast zwei Jahren bin ich müde", sagt er. "Das Burnout-Risiko im Aktivismus ist enorm. Die Gerichtskosten zermürben. Die Verfahren, in denen die Katastrophe gern mal ausgeblendet wird, sind frustrierend. Ich erlebe Polizeigewalt, bin immer wieder in Handschellen und verbrachte schon Wochen in Gefängnissen oder Polizeizellen."
Dass die Staatsanwaltschaft ihn für seine Aktionen vor Gericht gebracht hat, findet der 21-Jährige nicht in Ordnung. Denn seine Proteste hätten darauf abgezielt, "auf Rechtsbrüche aufmerksam zu machen und unsere Verfassung und Menschenrechte zu schützen." Rechtsbrecher seien in Wahrheit diejenigen, die das Klima zerstören, etwa die Energiekonzerne. Zum Abschluss wendet der Angeklagte sich direkt an die Richter: "Auf welcher Seite der Geschichte stehen Sie?", fragt er fast schon pathetisch. Am Ende bekommt er Applaus aus dem Zuschauerraum. Schon vor Prozessauftakt haben Unterstützer des 21-Jährigen vor dem Gerichtsgebäude eine Mahnwache abgehalten.
Haftstrafe unwahrscheinlich
Der Vorsitzende Richter lässt das so nicht stehen. Die strafrechtlichen Vorwürfe der Anklage hätten ausgereicht, um das Verfahren zu eröffnen, sagt er. Nötigung, Hausfriedensbruch, Sachbeschädigung, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte. Darüber wird verhandelt. Das sei langwierig, in jedem Einzelfall müsse geprüft werden, ob eine Strafbarkeit vorliege oder nicht. Das werde bis ins kommende Jahr dauern.
Einzelne Klimaaktivisten sind in der Vergangenheit bereits zu mehrmonatigen Haftstrafen verurteilt worden. Diese Sorge nimmt der Richter dem Angeklagten heute. Nach dem jetzigen Stand brauche er nicht mit einer Haftstrafe zu rechnen. "Sie werden nach unserem Urteil den Sitzungssaal voraussichtlich als freier Mensch verlassen."
Quellen:
- Landgericht Essen
- WDR-Reporter vor Ort