Die Frauen hatten den Zweijährigen in einer Mini-Kita in Gelsenkirchen mittags zum Schlafen gelegt, unten in einem Etagenbett. Doch der Junge war unruhig, er drückte die Bodenplatte des oberen Betts hoch und steckte seinen Kopf durch den Spalt. Dann wurde sein Hals eingeklemmt und er erstickte qualvoll. Die Tagesmütter waren im Nebenraum und bemerkten davon nichts.
Vierter Prozess um Riads Tod
Fast dreieinhalb Jahre ist das jetzt her. Doch juristisch ist der tragische Tod des kleinen Riad noch immer nicht geklärt. Und es ist bereits der vierte Prozess, in dem ein Gericht versuchen wird, die Schuldfrage zu beantworten. Das erste Verfahren am Amtsgericht Gelsenkirchen musste im April 2023 wegen einer Justizpanne abgebrochen werden, im Oktober 2023 sprach das Amtsgericht dann die beiden Tagesmütter frei.
Für die Eltern sei es "das nackte Grauen", sagte der Richter damals, dennoch träfe die Tagesmütter keine Schuld am tragischen Tod des Jungen. Die Frauen selbst hatten sich vor Gericht nicht zu den Vorwürfen geäußert.
Umfangreiche Beweisaufnahme geplant
Die Staatsanwaltschaft war mit dem Urteil nicht zufrieden. Sie hatte zehn Monate Haft wegen fahrlässiger Tötung beantragt und legte Berufung ein. Doch die Berufungsverhandlung wurde im April 2024 ergebnislos vertagt. Die Richterin hatte weder Zeugen noch Sachverständige geladen.
Das ist diesmal anders. Drei Verhandlungstage hat die Strafkammer angesetzt, ein Möbelsachverständiger und ein Gerichtsmediziner werden ihre Gutachten erstatten. Die Umstände von Riads Tod werden noch einmal genau geprüft.
Gutachter nennt Betten „Käfige“
Fest steht: Am Tag seines Todes hatten die Eltern den Jungen zum ersten Mal über Mittag allein in der Kita gelassen. Offenbar war er weder an die neue Umgebung noch an den Mittagsschlaf gewöhnt. In der Eingewöhnungsphase hatte er oft gefehlt, unter anderem wegen Krankheit.
Die Möglichkeit, dass er im Bett die über ihm liegende Spanplatte hochdrücken könne, hatte allerdings niemand gesehen. Wäre sie festgeschraubt gewesen, hätte der Unfall nicht geschehen können. Das war sie aber nicht.
Ein Sachverständiger hatte im Prozess am Amtsgericht scharfe Kritik an den Betten geübt. Er bezeichnete die Holz-Hochbetten als "Käfige" und "gefährlich". Es sei ein Glücksfall, dass in den zehn Jahren seit ihrer Verwendung in der Kita nichts Schlimmes passiert sei.
Nebenklage sieht "Freiheitsberaubung"
Doch ist der tödliche Unfall in einem solchen Bett den Tagesmüttern anzulasten? Die Anwältin der Eltern sagt ja. "Ein derart quirliges Kind kann man nicht einfach in eine Art Käfig einsperren", sagte sie in der ersten Berufungsverhandlung. Die Frauen hätten sich deshalb der "Freiheitsberaubung mit Todesfolge" schuldig gemacht.
Die Richterin sah das anders und riet den Eltern, ihre Berufung gegen den Freispruch zurück zu ziehen. Doch dazu waren sie nicht bereit.
Unsere Quellen:
- WDR-Reporter
- Amtsgericht Gelsenkirchen
- Anwältin der Eltern des verstorbenen Jungen während der ersten Berufungsverhandlung