Gaza: Weitere Geiseln kommen frei - Hilfslieferungen laufen an | WDR aktuell 02:25 Min. Verfügbar bis 20.01.2027

Gaza-Krieg: Erste Geiseln frei - Das sind die Vereinbarungen

Stand: 20.01.2025, 06:54 Uhr

Die ersten israelischen Geiseln sind frei, Israel lässt palästinensische Gefangene gehen - der Waffenstillstand soll sechs Wochen dauern. Fakten im Überblick.

Die ersten Schritte im Waffenruhe-Abkommen zwischen Israel und der Hamas sind mit Ausnahme von Verzögerungen wie geplant verlaufen. Der Waffenstillstand soll sechs Wochen dauern. Wie es danach weitergeht, ist noch unklar. Nach sechs Wochen soll über die nächsten Schritte verhandelt werden. Dabei geht es um die Freilassung der restlichen Geiseln, einen dauerhaften Waffenstillstand und einen Abzug der israelischen Armee aus Gaza. Derweil haben Hamas und Israel erste Geisel und Gefangene getauscht.

Hier die wichtigsten Fragen und Antworten dazu:

Wen hat die Hamas freigelassen?

Erleichtert: Angehörige und Freunde der Geiseln | Bildquelle: AP

Die Hamas hat am Samstagnachmittag drei israelische Geiseln freigelassen: die 24-jährige Romi Gonen, die 31-jährige Doron Steinbrecher und die 28-jährige Emily Damari. Gonen war vom Nova-Musikfestival verschleppt worden, Steinbrecher und Damari wurden aus ihren Kibbuzim entführt. Die drei Frauen gehören zu einer Gruppe von insgesamt 33 israelischen Geiseln, deren Freilassung vereinbart wurde. Sie wurden an ein Team vom Roten Kreuz übergeben.

Wen hat Israel freigelassen?

Hamas-Kämpfer übergeben während der Waffenruhe eine israelische Geisel an das Rote Kreuz | Bildquelle: Reuters

Israel ließ nach eigenen Angaben 90 Gefangene frei, die meisten davon sollen Frauen und Minderjährige sein. Gegen einige von ihnen besteht der Vorwurf des Terrorismus, andere sollen laut Hilfsorganisationen teilweise ohne Gerichtsverfahren inhaftiert worden sein - das berichtet ein Reporter der Tagesschau. Laut israelischen Medien sollen keine Hamas-Terroristen freigelassen werden, die am Terrorangriff des 7. Oktobers beteiligt gewesen sein sollen. 

Wann kommen weitere Geiseln und Gefangene frei?

Die Waffenruhe gilt seit 19. Januar um 10.15 Uhr. Am siebten Tag der Waffenruhe sollen vier weitere Geiseln freigelassen werden, weitere 26 in den folgenden fünf Wochen. Allerdings ist unklar, wie viele der insgesamt 33 israelischen Geiseln noch am Leben sind. Für die geplante Freilassung von weiteren Geiseln in den nächsten Wochen sollen laut Abkommen fast 2.000 palästinensische Gefangene aus der Haft entlassen werden: 30 Gefangene für eine zivile Geisel und 50 Gefangene für eine Soldatin.

Wie viele lebende Geiseln befinden sich noch in der Gewalt der Hamas?

Die Hamas hält nach israelischen Angaben noch 91 Geiseln fest, 34 von ihnen sollen nicht mehr leben. Die Zahlen sind aber nicht gesichert. ARD-Korrespondent Christian Limpert berichtet von anderen Einschätzungen: "Geheimdienstinformationen gehen von etwa 100 Geiseln aus, von denen etwa die Hälfte noch am Leben sein könnte." Eine genaue Zahl kennt derzeit niemand.

Wer kontrolliert die Waffenruhe?

Es gibt eine Kommission mit Sitz in Kairo, die aus den Vermittlern verschiedener Länder besteht. Von dort aus will man die Waffenruhe überwachen. Wie das technisch aussehen soll ist nicht bekannt.

Was beinhaltet das Abkommen?

Der scheidende US-Präsident Joe Biden sprach von einem Drei-Stufen-Plan, den er schon im Frühling vorgestellt habe. Demnach ist vorgesehen, dass es in der ersten Phase der vollständigen Waffenruhe auch einen kompletten Rückzug der israelischen Streitkräfte aus allen dicht besiedelten Gebieten des Gazastreifens gibt.

In Phase 2 soll laut Biden ein dauerhaftes Ende der Kämpfe erreicht werden. Dann könnten alle restlichen lebenden Geiseln freikommen, zum Beispiel auch männliche Soldaten. In der dritten Phase geht es im Kern um den Wiederaufbau im Gazastreifen.

Welche Rolle spielten Joe Biden und Donald Trump?

US-Präsident Biden zeigte sich "begeistert" über die Vereinbarung und erklärte, sie sei aufgrund der "hartnäckigen und gewissenhaften" Arbeit der US-Diplomatie zustande gekommen. Zugleich betonte Biden, mit dem künftigen US-Präsidenten Trump habe er dabei als "ein Team" zusammengewirkt.

Trump selbst verbuchte die Einigung wenige Tage vor seinem Amtsantritt als eigenen Erfolg. "Diese epische Waffenruhe-Vereinbarung konnte nur als Ergebnis unseres historischen Siegs im November zustande kommen", schrieb er in seinem Onlinedienst.

Wie ist die Situation der Menschen in Gaza?

Palästinenser kehren die Stadt Rafah im südlichen Gazastreifen zurück | Bildquelle: imago

Die humanitäre Lage im Gazastreifen ist weiterhin katastrophal. Daher ist es auch Teil der Abmachung zur Waffenruhe, die Hilfsleistungen aus Ägypten wieder aufzunehmen und deutlich aufzustocken. Der einzige Kanal, der den Gazastreifen mit Ägypten verbindet, wurde wieder geöffnet - viele Palästinenser kehrten in die Stadt Rafah im südlichen Gazastreifen zurück.

Seit Beginn des Gaza-Kriegs mit dem Hamas-Massaker in Israel am 7. Oktober 2023 sind nach palästinensischen Angaben in dem Küstenstreifen mehr als 46.600 Menschen getötet worden. Mehr als 110.000 wurden demnach verletzt.

Wie sind die internationalen Reaktionen?

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bezeichnete die Billigung des Abkommens am Freitag als "sehr gute Nachricht". "Die Vereinbarung muss jetzt Schritt für Schritt konsequent umgesetzt werden", forderte er. "Das Leid der Geiseln und die Qual der Ungewissheit der Familien müssen endlich ein Ende finden." Der notleidenden palästinensischen Bevölkerung im Gaza-Streifen bot Scholz weitere Hilfe mit Lebensmitteln und medizinischer Versorgung an.

Gleichzeitig rief er die Hamas auf, ihre Waffen "ein für alle Mal" niederzulegen. "Der Terror der Hamas muss enden." Er bekräftigte, dass eine dauerhafte Beendigung des Konflikts zwischen Israel und den Palästinensern aus seiner Sicht nur durch eine Zwei-Staaten-Lösung möglich ist.

Auch Kremlsprecher Dmitri Peskow äußerte sich. "Jede Vereinbarung, die zu einem Waffenstillstand und einem Ende des Leides der Menschen im Gazastreifen führt und die Sicherheit Israels erhöht, kann nur begrüßt werden", betonte er. Allerdings müsse die "Beendigung des Prozesses" abgewartet werden. Aus China hieß es, die Regierung hoffe, dass das Abkommen "effektiv umgesetzt werden kann, um eine umfassende und dauerhafte Waffenruhe" zu erreichen.

Waffenruhe stand bis zuletzt auf der Kippe

Mit der Entscheidung des Sicherheitskabinetts war trotz des Widerstands einiger rechtsextremer Politiker gerechnet worden. Zwei von Netanjahus Ministern hatten sich gegen die Einigung ausgesprochen. Der rechtsextreme Finanzminister Bezalel Smotrich sprach von einem "schlechten und gefährlichen Abkommen für die Sicherheit des Staates Israel", der rechtsextreme Sicherheitsminister Itamar Ben Gvir von einem "katastrophalen Abkommen". Beide stimmten am Freitag gegen die Waffenruhe - erfolglos.

Unsere Quellen:

  • ARD-Korrespondent
  • Nachrichtenagenturen AFP, DPA, KNA und Reuters
  • Tagesschau.de