Gläubiger:innen stimmen Galeria-Rettung zu: Blieb ihnen eine Wahl? Aktuelle Stunde 28.05.2024 23:45 Min. Verfügbar bis 28.05.2026 WDR Von Lucie Jäckels

Kaufhauskette Galeria: Großteil der Filialen vorerst gerettet

Stand: 28.05.2024, 16:18 Uhr

Deutschlands letzte Kaufhauskette bekommt eine neue Chance: Die Gläubiger der Galeria-Kaufhäuser haben dem Insolvenzplan zugestimmt. Das bedeutet: Der Großteil der Filialen ist vorerst gerettet.

Von Jörg Marksteiner

Vermieter, Staat und Lieferanten trafen sich am Dienstag in der Messe Essen und stimmten über den Insolvenzplan ab. Mit ihrer Zustimmung verzichten sie auf einen Großteil ihrer Forderungen. Die Gläubiger erlassen der Kaufhauskette rund 800 Millionen Euro. Insolvenzverwalter Stefan Denkhaus zeigte sich "sehr erleichtert" über das Votum.

Möglicherweise weniger als 16 Filialen vor dem Aus

Das Ergebnis sei gut für die Mitarbeiter und für die Innenstädte, so Denkhaus. Er kündigte außerdem an, dass möglicherweise weniger als die geplanten 16 Filialen geschlossen werden könnten. Dazu soll es in der kommenden Woche vereinzelt noch einmal Gespräche geben.

Bis Ende Juli soll Galeria nun an die neuen Eigentümer übergeben werden: an den deutschen Unternehmer Beetz und eine US-Beteiligungsfirma.

"Karstadt" und "Kaufhof" fallen weg

Die Namensteile "Karstadt" und "Kaufhof" sollen dann wegfallen. Einer der zwei neuen Eigentümer von Galeria Karstadt Kaufhof, Bernd Beetz, zeigt sich zuversichtlich, dass die Warenhauskette mit dem Rettungsplan eine Chance hat. "Das gibt uns jetzt die Möglichkeit, nach vorne zu arbeiten und die Galeria in eine erfolgreiche Zukunft zu führen", sagte Beetz nach der Entscheidung.

Über tausend Arbeitsplätze sollen wegfallen

Weiter gehen soll es mit neuen Eigentümern in 76 Kaufhäusern. Der Sanierungsplan sieht aktuell vor, dass 16 Filialen schließen, davon drei in NRW. Ebenso die große Firmenzentrale in Essen. Das letzte Wort bei den Schließungen scheint allerdings noch nicht gesprochen.

Insgesamt sollen 1.400 Beschäftigte ihren Arbeitsplatz verlieren. Sie haben die Wahl, eine Abfindung von maximal 7.500 Euro in Anspruch zu nehmen oder für bis zu acht Monate in eine Transfergesellschaft zu wechseln.

Für Versammlung extra Messesaal gemietet

Galeria-Mitarbeiter Thomas Bader kennt Situationen wie am heutigen Dienstag: Das Warten, Bangen und Hoffen auf eine neue Chance. Drei Insolvenzen und Gläubigerversammlungen hat der Betriebsrat aus Dortmund bereits miterlebt. "Mir tut es unendlich um meine Kollegen leid. Die jahrelang auf Geld verzichtet haben und hinterher den Arbeitsplatz verlieren", sagt Betriebsrat Bader. Aber er weiß auch: Ohne Zustimmung der Gläubiger hätte das Aus für alle gedroht. So werden immerhin 11.400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vorerst ihre Stelle behalten.

4.600 Gläubiger

Für das Gläubigertreffen hatte das Amtsgericht einen 950-Personen-Saal in der Messe Essen gebucht. Nur rund 120 Personen nahmen an der Veranstaltung teil und vertraten die rund 4.600 Gläubiger. "Die Versammlung dient vor allem der Information der Gläubiger", sagte Claudia Schlarb, Sprecherin am Amtsgericht Essen. Es habe neben der Abstimmung auch die Möglichkeit gegeben, Anträge oder Fragen zu stellen.

Von vor Ort berichtet auch unser WDR-Wirtschaftsredakteur Jörg Marksteiner. Hier geht es zu seiner Einschätzung.

Verzicht auf 97 Prozent offener Rechnungen

Es geht um viel Geld: Der Insolvenzplan sieht vor, dass Gläubiger wie Vermieter, Dienstleister und Handwerker, Sozialversicherungen und Finanzamt auf rund 97 Prozent ihrer offenen Rechnungen verzichten. Größte Gläubiger sind der staatliche Coronahilfsfonds WSF und die Bundesagentur für Arbeit. Sie hatte drei Monate lang die Gehälter übernommen.

Einigermaßen glimpflich kommen wohl viele Lieferanten der Kaufhauskette davon, 85 Prozent von ihnen hatten ihre Lieferungen versichert, heißt es.

Experte: "Gläubiger müssen Zugeständnisse machen"

Insgesamt sollen Galeria rund 860 Millionen Euro erlassen werden. Nach rund drei Milliarden in den vergangenen Insolvenzen. Damit kann das Unternehmen – wie nach 2020 und 2023 – schuldenfrei einen Neustart versuchen.

"Die Gläubiger müssen Zugeständnisse machen, aber haben eigentlich keine andere Wahl", so Jörg Funder, Professor für Unternehmensführung im Handel, im Vorfeld des Treffens.

Für ihn wäre alles andere als eine Zustimmung eine "Riesenüberaschung" gewesen. Insolvenzverwalter Stefan Denkhaus warnte bereits: "Die Alternative wäre die Zerschlagung des Unternehmens." Dann wären die meisten Gläubiger wohl komplett leer ausgegangen, sagen Insider.

Unsere Quellen:

  • WDR-Reporter vor Ort
  • Amtsgericht Essen
  • Galeria Karstadt Kaufhof
  • Insolvenzverwalter Stefan Denkhaus
  • Investorenkonsortium
  • Arbeitnehmervertreter Galeria
  • dpa
  • eigene Recherchen

Über dieses Thema berichten wir am 28.05.2024 im WDR-Fernsehen und im Radio.

Galeria-Gläubiger stimmen Insolvenzplan zu WDR Studios NRW 28.05.2024 01:02 Min. Verfügbar bis 28.05.2026 WDR Online