Multiple Sklerose: Essener läuft trotzdem Halbmarathon

Stand: 02.07.2022, 07:51 Uhr

"Ich sterbe bald," dachte Holger Lemmens, als bei ihm vor rund 30 Jahren die Nervenkrankheit Multiple Sklerose diagnostiziert wurde. Heute fühlt er sich fitter denn je.

Von Agata Pilarska

Holger Lemmens war gerade mal Anfang 20, als er das erste Mal etwas von MS hörte. Bei der Krankheit werden die Nervenzellen angegriffen, was Taubheitsgefühle und teils schwere Lähmungen zur Folge hat. Die genauen Ursachen sind unbekannt.

Sein großes Ziel: 42 Jahre alt werden

Holger Lemmens zeigt sein Tattoo - 42 werden war nach der Diagnose sein erstes Ziel. | Bildquelle: WDR/Agata Pilarska

"Damals gab es noch kein Google", erinnert sich der Essener. Stattdessen hatte er ein Medizinlexikon auf CD-ROM. "Da stand, dass die Krankheit in jedem Fall zum Tode führt. Das war ein Schock." Sein großes Ziel damals: 42 Jahre alt zu werden. Ein Tattoo an seinem Oberarm erinnert ihn daran.

Inzwischen ist Holger Lemmens 50 und geht täglich joggen. Über die Woche kommen mindestens 50 Kilometer zusammen. "Wenn es mir gut geht, laufe ich einen Halbmarathon." Das sind knapp über 21 Kilometer. Das kann er aber nicht an jedem Tag, denn die Krankheit verschwindet nicht.

Lähmungen an Armen und Beinen

Allerdings hat sich viel getan, was die Therapie betrifft: "Spritzen, Tabletten, Infusionen - ich habe alles durch," sagt Holger Lemmens. Und: So vielseitig wie die Therapieformen heute sind, ist auch der Verlauf der Krankheit.

Bei Holger Lemmens verläuft die Multiple Sklerose schubartig: "Ich habe Lähmungen in den Armen oder Beinen bekommen". Immer wieder wurde er deswegen mit Cortison behandelt. Vor etwa zehn Jahren hat ihm sein Neurologe eine neue Therapie vorgeschlagen: Die sogenannte Antikörpertherapie mit dem Wirkstoff Alemtuzumab zerstört sämtliche weiße Blutkörperchen. Die sind für die Immunabwehr im Körper zuständig.

"Ich fühle mich gesund"

Danach baut sich das Immunsystem zwar neu auf, aber das dauert: Zweimal bekommt man im Abstand von einem Jahr über mehrere Tage Infusionen. Aber das Immunsystem braucht seine Zeit, ähnlich wie nach einer Chemotherapie. "Ich dachte: Komm, mach's einfach", sagt Holger Lemmens.

Mit der Stimmgabel testet Dr. Pul die Tiefensensibilität seines Patienten | Bildquelle: WDR/ Agata Pilarska

Weitere Lähmungen in Armen und Beinen sind seitdem ausgeblieben. Er hat aber auch gemerkt, dass er auf seinen Körper hören muss. Weniger Alltagsstress und vor allem Bewegung haben Holger Lemmens gut getan: "Irgendwann habe ich angefangen zu joggen. Nach etwa vier Kilometern habe ich meine Beine über den Boden geschleift. Ich habe mich dann auch öfter lang gemacht. Aber das wurde dann immer besser."

Die Freude darüber ist groß: "Ich bin einfach froh, dass es bei mir so gelaufen ist. Ich fühle mich gesund."