Wenn das Leben von Strom abhängig ist

Stand: 02.12.2022, 09:28 Uhr

Samuel Scholz leidet an der Erkrankung Muskelatrophie Typ 2, die für Muskelschwund sorgt. Er kann nicht selbstständig atmen und ist deshalb rund um die Uhr auf eine künstliche Beatmung angewiesen. Und auf Strom. Ein Blackout kann lebensgefährlich für ihn werden.

Von Riem Karsoua

Samuel Scholz | Bildquelle: WDR

Samuel Scholz liegt in seinem Bett und kann sich nicht selbstständig bewegen. Auf einem Tisch neben ihm steht sein Beatmungsgerät. Durch einen Schlauch in seinem Hals, wird rund um die Uhr Luft direkt in seine Luftröhre gepumpt. Im Alter von sechs Monaten wurde bei ihm die Muskelerkrankung Muskelatrophie Typ 2 diagnostiziert. Damals hatten die Ärzte gesagt, dass Samuel keine zwei Jahre alt wird.

Heute ist Samuel 25. Neben seinem Beatmungsgerät braucht er auch ein Absaug- und Inhaliergerät. Alles ist strombetrieben. Nachdem er gehört hat, dass es vielleicht zu einem längerfristigen Stromausfall kommen könnte, hat er vor allem eins: Angst.

Samuel Scholz | Bildquelle: WDR

86 Prozent der Pflegebedürftigen in NRW werden zu Hause versorgt

„Wenn es so weit kommen würde, besteht für mich eine gewisse Lebensgefahr“, sagt der 25-Jährige. Samuel ist die ganze Zeit auf die Hilfe seiner Eltern oder der Pflegekräfte angewiesen, die ihn rund um die Uhr betreuen.

2021 wurden 86 Prozent der Pflegebedürftigen in NRW zu Hause versorgt. Oft hängt ihr Leben davon ab, dass regelmäßig Strom fließt. Samuel wünscht sich mehr Aufmerksamkeit für sich und andere schwerstkranke Menschen: „Es wäre schön, wenn auch die Politiker und Politikerinnen mehr auf Menschen wie mich schauen. Ich glaube, wir werden ein wenig vergessen.“

Plan B: Stromumwandler im Familienauto

Samuel Scholz | Bildquelle: WDR

Das Szenario eines möglichen Blackouts beschäftigt auch seinen Vater Gerd Scholz. Er hofft im Ernstfall darauf, dass die Akkus halten. Im schlimmsten Fall muss Samuel ins Hospiz oder ins Krankenhaus. Aber dort müsste auch ein Intensivbett frei sein. „Denn ohne Strom, keine Beatmung. Und keine Beatmung, kein Leben“, ist sich Gerd Scholz der Situation bewusst.

Sein Plan B: Im Familienauto hat er einen Stromumwandler. Eigentlich für längere Ausflüge. Damit sollen im Ernstfall Samuels Geräte geladen werden, die für ihn überlebenswichtig sind.

Akkus müssen einsatzfähig sein

Eine Frau mit langen, lockigen, hellblonden Haaren und beigem Pullover. | Bildquelle: WDR

Claudia Spittmann vom Pflegedienst JAKIM ist Kinderkrankenschwester und betreut Familien, die schwersterkrankte Kinder und Jugendliche zu Hause haben, seit mehr als 20 Jahren. Sie hofft bei einem möglichen Blackout auf die Ersatz-Akkus. „Wir raten unseren Familien zu guter Akku-Pflege.“ Das heißt, dass sowohl die pflegenden Angehörigen als auch die Pflegekräfte aus der ambulanten Pflege darauf achten sollten, dass die Akkus nicht defekt sind.

Claudia Spittmann rät allen Eltern, auch bei einem Stromausfall, erst einmal die Ruhe zu bewahren. „Die Situation, dass wir über viele Stunden keinen Strom haben, ist für uns alle ein Worst-Case Szenario“. Vielleicht sei aber nach kurzer Zeit der Strom wieder da, erklärt sie weiter. Außerdem bereite sich die Stadt Wuppertal gerade auf den Ernstfall vor. Der Pflegedienst JAKIM wurde gebeten, alle technologiebedürftigen Patient:innen zu melden, damit im Ernstfall Feuerwehr und Rettungskräfte reagieren können.

Samuel Scholz will sich davon nicht unterkriegen lassen. Er verliert trotz der Umstände seine Lebensfreude nicht. Der 25-Jährige wünscht sich vor allem eins: „Eine friedvollere und sicherere Welt.“