"Da müssen mehr Bilder hin", ruft Julia und zeigt auch gleich ein Beispiel auf ihrem Smartphone. Die 25-Jährige mit so genannter geistiger Beeinträchtigung sitzt mit KollegInnen in der Anlaufstelle für mehr Inklusion, mitten in Wiehl. Sie prüft einen Fragebogen des "Wiehl enthindert"-Projekts auf "Leichte Sprache".
Texte sollen für alle verständlich sein
"Das kann man nur, wenn man dafür geschult wurde", erklärt ihr Mitstreiter Alex Brauer, der extra von der Arbeit bei den Lebenspfaden e.V., dem Wiehler Träger von Wohn-, Beratungs- und Beschäftigungsangeboten für Menschen mit Behinderung, gekommen ist. Er möchte die Texte mit bewerten, auf Verständlichkeit prüfen, um Änderungen vorzuschlagen.
Inklusion in die Köpfe bringen
"Die Förderung ist nicht für einzelne, zum Beispiel bauliche Maßnahmen zur Barrierefreiheit gedacht, sondern für den Aufbau eines Netzwerks. Inklusives Denken soll sich so in Behörden oder bei Anbietern von Freizeitaktivitäten durchsetzen. Damit sich die unterschiedlichen Menschen mehr mischen und dadurch inklusiv werden".
Alle an einem Tisch
Gemeinsam mit Maria Lamsfuß von den Lebenspfaden e.V. hatte sich Astrid Wollenweber um die Förderung des NRW Ministeriums für Arbeit, Soziales und Gesundheit beworben und mit ihr leitet sie auch das Projekt. Das Besondere daran ist das wirklich partizipative Vorgehen.
Nachdem die Leichte-Sprache PrüferInnen fertig sind, geht es für Wollenweber und Lamsfuß in den Wiehler Ratssaal. Hier sitzen wirklich alle mit am Tisch, um zu erarbeiten, wie mehr Inklusion gehen kann. Neben dem Bürgermeister auch der erste Beigeordnete, eine Anbieterin von inklusivem Tanztheater, Eltern, Menschen mit unterschiedlichen Behinderungen.
Zusammenbringen der Parallelwelten
Unüberhörbar: Es gibt Berührungsängste von Nicht-Behinderten vor Menschen mit Beeinträchtigung. Denn Letztere treten gar nicht maßgeblich in Erscheinung im öffentlichen Leben. Und so fehlen den meisten Leuten Erfahrungen im Umgang mit behinderten Mitmenschen. Weil sich diese meist in "Sondersystemen" bewegen. Zum Beispiel in Förderschulen oder Werkstätten, die auch Freizeitangebote umfassen. "Das ist quasi eine Parallelwelt", beschreibt es Maria Lamsfuß. Genau das aber soll sich ändern in Wiehl und im Oberberg, da sind sich alle einig.
Börse für Freizeit-Aktionen für ALLE
Menschen mit Beeinträchtigung beteiligen sich an der Netzwerkarbeit von Astrid Wollenweber und Maria Lamsfuß: Wo werden sie be-hindert in Wiehl? Was wäre optimale Ent-hinderung für sie? Wenn sie Sport machen wollen oder einen Ausflug, ein Konzert besuchen oder nur das beliebte Burger-Lokal? Eine Idee, die netzwerkumspannend realisiert werden soll: Die Börse für Freizeit-Aktionen - gemischte Tüte für alle.
Barriere-Checker mit Ahnung
Auch Barriere-Checker sind für "Wiehl enthindert" im Einsatz: Sie testen Einrichtungen und öffentliche Aktionen der Stadt, zum Beispiel den BSV Bielstein, einen großen Sportclub, Fazit: Im Vereinsheim und an der Sportanlage sind noch zu viele Barrieren für SportlerInnen mit Behinderung. Rollstuhlfahrerin Pauline Schramm und der voll erblindeten Bodo Isenhardt sind sich einig: Für ihn ist die Sportanlage schon im Außenbereich ohne Leitsystem mehr als herausfordernd. Außerdem die Damentoilette der städtischen Anlage aus den 70ern eine Zumutung: Kaum Durchkommen über Schwellen und kein Platz in der Kabine – es sei denn, sie möchte die Tür offen lassen.
Inklusive Zukunft anleiern: Jetzt
Das Projekt ist zukunftsgerichtet und ermutigt auch MitarbeiterInnen der Wiehler Behörden, jetzt für ein inklusives Wiehl zu planen und in den alltäglichen Entscheidungen darauf hinzuwirken.
Unsere Quellen:
Reporterin vor Ort
Stadt Wiehl
Lebenspfade e.V.
Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales NRW
Über dieses Thema berichtet der WDR auch im Fernsehen in der Lokalzeit aus Köln