Festlegen wollen sich die Ermittler am Dienstag allerdings noch nicht, sagte Oberstaatsanwältin Katja Schlenkermann-Pitts: "Zu der Motivlage an sich möchte ich mich noch nicht endgültig äußern. Aber der Versicherungsbetrug ist für uns auf jeden Fall ein Ansatz."
Wie die Deutsche Presse-Agentur aus Sicherheitskreisen erfuhr, sollen in dem Haus Brandbeschleuniger verteilt worden sein. Ob nur eine Brandstiftung oder auch eine Explosion geplant war, ist noch unklar.
Zweiter Tatverdächtiger festgenomen
Nach der Explosion am vergangenen Donnerstag hatte die Polizei am Montag einen zweiten Tatverdächtigen festgenommen. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft handelt es sich um den Vater des bereits am Freitag festgenommenen 21-jährigen Tatverdächtigen.
Gegen den 56-Jährigen hat die Staatsanwaltschaft am Montagnachmittag Haftbefehl erlassen. Er steht wie sein Sohn unter dem dringenden Tatverdacht des versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in 15 Fällen sowie besonders schwerer Brandstiftung. Auch gegen den Vater wurde Untersuchungshaft angeordnet.
15 Menschen verletzt
Insgesamt wurden nach Angaben der Staatsanwaltschaft 15 Menschen verletzt, zwei davon lebensbedrohlich. Noch immer liegen vier der 15 Verletzten im Krankenhaus. Ein zwei Monate alter Säugling ist immerhin außer Lebensgefahr. Auch zwei Feuerwehrleute wurden verletzt - sie konnten ihre Arbeit aber später wieder aufnehmen.
Die Stadt Eschweiler versucht unterdessen, einen Überblick über das Ausmaß der Schäden zu bekommen. Bis zu 30 Menschen haben ihre Wohnung verloren, sagt Bürgermeisterin Nadine Leonhardt. Doch nicht nur materielle Hilfe sei nötig.
Explosion weckt Erinnerungen an die Flut
Den Menschen steckt der Schreck von der Explosion noch immer in den Knochen. Eine Anwohnerin berichtete: "Ich habe einen Knall gehört und dann Schreie. Als ich rauskam, war alles voller Dämmwolle und Glasscherben."
Auch Nadine Leonhardt war bei ihrer Alarmierung direkt klar: "Das ist nichts Kleines, das ist etwas Dramatisches." Viele Menschen vor Ort seien unter Schock gewesen, berichtete Leonhardt im WDR. Bei vielen Menschen seien Erinnerungen an die Flut hochgekommen.
Eschweiler sei nach der Flut noch im Wiederaufbau. "Ich hätte mir gewünscht, dass die Menschen in Eschweiler, die so viel geleistet haben, nun diese Erfahrung nicht hätten machen müssen."
Schäden im Umkreis von 50 Metern
Der hintere Teil des Hauses ist durch die Explosion derart schwer beschädigt worden, dass es einsturzgefährdet ist. Durch die Wucht der Detonation gingen in 50 Metern Umkreis sämtliche Fensterscheiben zu Bruch. Auch Geschäfte gegenüber des Hauses, aus der die Detonationswelle kam, lagen in Trümmern. Etwa 50 Gebäude wurden beschädigt.
Die Explosion entfesselte zudem ein Feuer, das stundenlang ein Großaufgebot von Brandbekämpfern aus der Region beschäftigte. Unterstützung erhielten Polizei und Feuerwehr durch das Technische Hilfswerk Eschweiler.
Gegen 2 Uhr nachts war das Feuer gelöscht. Allerdings wurden später noch Glutnester entdeckt. Mehr als 200 Kräfte waren im Einsatz. Die Löscharbeiten dauerten bis Freitagmorgen. Landesinnenminister Herbert Reul (CDU) dankte den Einsatzkräften. Sie hätten "unter Inkaufnahme eigener Risiken alles getan, um die Bewohner des Hauses schnellstmöglich zu retten", sagte Reul der Deutschen Presse-Agentur in Düsseldorf.
Ermittler suchen nach Ursache für Explosion
Wie die Feuerwehr am Freitag auf einer Pressekonferenz mitteilte, habe man zwar Gasflaschen im hinteren Teil des Hauses gefunden und geborgen. Jedoch habe man nicht erkennen können, ob diese für die Explosion ursächlich gewesen seien. Gasflammen hätten eigentlich ein spezifisches Aussehen, und das habe man zumindest im Bereich des Geschäftes nicht gesehen.
Anwohner bestätigten dem WDR, dass unmittelbar nach der Explosion ein Geländewagen mit hoher Geschwindigkeit durch die Einkaufsstraße gerast sei.
Brandstiftung nicht ausgeschlossen
Die Behörden gingen zunächst von einem Unglück aus. Doch später wurde auch ein Fremdverschulden nicht mehr ausgeschlossen. Man ermittele in alle Richtungen, hieß es zunächst von der Staatsanwaltschaft Aachen.
Erneuter Schlag - nach der Flut 2021
In der Straße, in der sich die Explosion ereignet hat, stand während der Flutkatastrophe 2021 das Wasser hüfthoch und richtete massive Schäden an. Für Anwohner und Ladenbetreiber ist die Explosion nun ein neuer Schlag. Klaus Robrecht hat ein Geschäft für Lederwaren und Taschen. Er sagte dem WDR: "Man kann irgendwann nicht mehr. Erst die Flut, wo alles zerstört war, und jetzt ist wieder die Einrichtung kaputt." Robrecht hofft, dass im Lager noch unzerstörte Ware liegt. Er wohnt ganz in der Nähe des Unglücksorts und hat die Schreie gehört. Sein Haus hat gezittert - so etwas, sagte er, habe er noch nicht erlebt.
Notfallseelsorger kümmern sich um Opfer
Nach den Erfahrungen mit der Flutkatastrophe sei die Anteilnahme der Eschweiler Bevölkerung sehr groß und das Geschehen für die Betroffenen auch besonders traumatisch, so Bürgermeisterin Nadine Leonhardt: "Man muss sich das vorstellen, so eine Flutkatastrophe zu erleben, teilweise monatelang das eigene Geschäft wiederaufzubauen und jetzt davorzustehen und zu sagen: Jetzt ist es ja wieder zerstört." Um traumatisierte Menschen, wie zum Beispiel Angehörige der Opfer oder auch Anwohner, kümmern sich Notfallseelsorger.
Telefon-Hotlines für Betroffene
Die Stadt Eschweiler hat zwei Hotlines eingerichtet: Eine für Betroffene mit allgemeinen Fragen, die 24 Stunden in Betrieb sein wird. Sie ist zu erreichen unter der Telefonnummer 02403/71320.
Die andere Hotline ist für die rund 20 betroffenen Einzelhändler und unter 02403/71365 zu erreichen.