Es ist noch früh am Morgen und klirrend kalt. Herbert Pelzer ist über gefrorenen Boden unterwegs zu einem kleinen Anbau seines Einfamilienhauses. Hier befindet sich die Gastherme. Der 84-Jährige ist mittlerweile häufiger dort und überprüft die Anlage. Denn er und seine Heizung nehmen an einem Experiment teil.
Durch die Leitungen zum Brenner strömt ein Gemisch aus 80 Prozent Erdgas sowie 20 Prozent Wasserstoff und Herbert Pelzer staunt: "Es wird genauso warm wie vorher, als hätte ich nur Gas. Die steigert sich wunderbar von alleine die Anlage. Wir haben hier im Haus im Schnitt so zwischen 19 und 20 Grad." So sollen die Temperaturen in den Räumen bis zum Frühjahr bleiben.
Zwei Jahre Vorbereitungszeit
Mit im Heizungsraum von Familie Pelzer ist heute Michael Thys vom Hürther Energieversorger "GVG Rhein-Erft". Der 31-Jährige hat bei dem Wasserstoff Pilotprojekt den Hut auf. Zusammen mit der "Rheinischen Netzgesellschaft" aus Köln hat Thys den Großversuch zwei Jahre lang vorbereitet.
Er und seine Kollegen sind von Tür zu Tür gegangen, und sie haben etwa 100 Haushalte überzeugen können. Danach wurde entlang der etwa 9 Kilometer langen Gasleitung durch Niederberg, Borr und Friesheim jede Heizung auf Herz und Nieren geprüft und das Pilotprojekt gestartet. Dass das Thema Wasserstoff so eine Dynamik bekommen würde, habe damals niemand geahnt, sagt Ingenieur Thys heute.
Noch wenig Erfahrung mit Wasserstoff
Die Hürther GVG geht davon aus, dass wir langfristig Wasserstoff in unseren Gasnetzen sehen werden. "Mit diesem Projekt wollen wir technisches Know-How aufbauen, damit wir für die Zukunft gerüstet sind. Wir möchten feststellen, wie sich der Wasserstoff in unseren Erdgasnetzen verhält. Wie schnell er sich im Gasnetz ausbreitet und wie die Kundenanlagen mit dem Wasserstoff-Erdgas-Gemisch arbeiten. Ob es zu Problemen kommt und ob alles reibungsfrei funktioniert", sagt der 31-jährige Ingenieur. Im Gegensatz zu Erdgas verbrennt Wasserstoff klimaneutral. Jedoch ist der Brennwert niedriger.
Wasserstoff kommt aus dem Chempark Hürth-Knapsack
Um alle wichtigen Daten ermitteln zu können, hat die GVG auch bei Familie Pelzer eine kleine Box mit Sensoren eingebaut, "über die wir die Wärmeleitfähigkeit des Gases ermitteln können. Über die Wärmeleitfähigkeit können wir dann verfolgen, ob das, was wir in der Einspeiseanlage einspeisen, beim Kunden ankommt, sowie wann es ankommt", ergänzt Michael Thys.
In die Leitung eingespeist wird der Wasserstoff in einem Gewerbegebiet, nur einige Kilometer von Niederberg entfernt. Dort haben GVG und Rheinische Netzgesellschaft eine kleine Fläche gepachtet. Hier stehen in Reih´ und Glied mehrere flaschenförmige Behälter aus Stahl. Sie werden regelmäßig mit Wasserstoff aus dem benachbarten Chemiepark Hürth-Knapsack aufgefüllt. Voraussichtlich noch bis Herbst 2023 wird dem Erdgas im Norden von Erftstadt Wasserstoff beigemischt. Danach sollen die Daten ausgewertet werden, als Grundlage für neue Wasserstoff-Projekte im Rhein-Erft-Kreis.