Es wird wohl noch eine Weile dauern, bis die letzten Schäden beseitigt sind: Allein die Kosten für die Reparatur der Hauptstraße in Medinghoven schätzt die Stadt Bonn auf bis zu 10.000 Euro. Was hier in der Silvesternacht geschehen ist, hatte bundesweit für Empörung gesorgt: Rund 40 zum Teil vermummte junge Männer setzten Mülltonnen, Autoreifen und Hecken in Brand. Außerdem attackierten sie Einsatzkräfte von Polizei und Feuerwehr mit Böllern und Steinen.
"Ich dachte, hier wäre es besser geworden"
Für einige Anwohner ist die Silvesternacht auch persönlich noch lange nicht abgehakt. Eines der vielen Autos, die in der Nacht durch Feuer beschädigt wurden, gehört Claudia Limp. Eine Vollkaskoversicherung hat sie nicht, die Reparatur wird ein großes Loch in ihre Haushaltskasse reißen: "Weit über 3.000 Euro, der Schaden."
Warum die Situation so eskalieren konnte - das kann sie immer noch nicht begreifen. "Also ich habe echt gedacht, hier wäre es besser geworden."
"Man muss hier vorsichtig sein"
Josef Kranz wohnt seit fast 30 Jahren in Medinghoven und hat die Ausschreitungen hautnah miterlebt: "Ich habe hier gestanden und gesagt: Muss das sein?" Als Antwort habe es nur Beschimpfungen gegeben. Er habe sich dann zurückgezogen. "Man muss hier vorsichtig sein. Sonst hätten sie mir den ganzen Balkon hier vollgeschossen."
Kranz hatte den Eindruck, dass besonders viele ausländisch aussehende Jugendliche an den Randale beteiligt waren. Noch gibt es dazu von offizieller Seite keine Bestätigung.
Polizei: Kein Freund und Helfer?
Sozialarbeiter Alfred Bernard arbeitet im Jugendhaus und kennt das Klientel: "Viele haben keine Perspektive. Denn sie sind schon eh stigmatisiert. Der Lehrer nimmt dich nicht ernst, die Polizei nimmt dich nicht ernst." Für die Jugendlichen sei die Polizei alles andere - nur kein Freund und Helfer. In der Silvesternacht habe sich der ganze Frust entladen, den das Leben in dem sozialen Brennpunkt mit sich bringt, so der Sozialarbeiter.
Mittlerweile hat die Polizei acht Tatverdächtige identifiziert. Am Freitag durchsuchten Ermittler die Wohnungen der 16- bis 19-jährigen jungen Männer. Sie sollen die Übergriffe auf die Einsatzkräfte in einer Chatgruppe geplant haben, so der Verdacht.
Woher kommt die Gewalt?
Was treibt Jugendliche zu solch brutalen und sinnlosen Gewalttaten an? "Das explodiert aus der Gruppe heraus", sagte Gewaltforscher Menno Baumann am Samstag im Interview mit dem WDR. Besonders Silvesterfeiern mit Böllern und allgemeiner Enthemmung seien "die perfekte Kulisse" um "Gewalt als einen positiven Rausch zu empfinden".
Den "Migrationseffekt", der vor allem in den Sozialen Netzwerken häufig als einziger Grund für die eskalierende Gewalt dargestellt wird, hält Baumann für eher gering. Er erinnerte an die Ausschreitungen bei der Fußball-WM in Frankreich 1998, als deutsche Fans eine wahre Gewaltorgie gefeiert hatten: "Das war ein ähnlicher Effekt."
Ganz unbedeutend sei die Zugehörigkeit zu einer marginalisierten Gruppe allerdings auch nicht, schränkt Baumann ein: Der Kipppunkt zur Gewalt könne für Jugendliche, die bereits viel Ausgrenzung erlebt haben, niedriger liegen als bei Gleichaltrigen, die sich akzeptiert und anerkannt fühlen.
Über dieses Thema berichten wir am Samstag ab 18.45 Uhr in der "Aktuellen Stunde" im WDR-Fernsehen.