Razzia gegen "Reichsbürger" - Durchsuchungen auch in Dorsten und Iserlohn

Stand: 23.11.2023, 13:21 Uhr

Polizei und Staatsanwaltschaft sind Donnerstag mit einer Razzia in acht Bundesländern gegen die sogenannte "Reichsbürger"-Szene vorgegangen - auch in NRW. Die Ermittler fanden Datenträger und eine Schreckschusswaffe.

Etwa 280 Einsatzkräfte haben am Morgen in acht Bundesländern 20 Wohnungen wegen des Verdachts der Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung durchsucht, teilte die federführende Generalstaatsanwaltschaft München mit. In NRW gab es Durchsuchungen in Dorsten und Iserlohn.

Keine Festnahme in NRW

Wie ein Sprecher des NRW-Innenministeriums mitteilte, handelte es sich um jeweils eine Wohnung in den beiden Städten. Die Maßnahmen richteten sich gegen zwei Personen. Es sei niemand festgenommen worden.

Unter Leitung der Münchener Generalstaatsanwaltschaft waren bei den Razzien Polizisten auch in Bayern, Baden-Württemberg, Hessen, Schleswig-Holstein, Brandenburg, Hamburg und Niedersachsen im Einsatz.

Behörden sollten offenbar blockiert werden

Die Beschuldigten sollen unter anderem versucht haben, durch massenhafte Kontaktaufnahme Behörden zu blockieren. Es seien zahlreiche Beweismittel wie Laptops und Smartphones beschlagnahmt worden.

Den Angaben zufolge waren seit Anfang 2021 mehrere Kanäle des Dienstes Telegram in den Fokus der Polizei geraten, weil dort für "Reichsbürger" typische Thesen und Verschwörungstheorien verbreitet wurden.

Razzia gegen "Reichsbürger" unter anderem in NRW 00:23 Min. Verfügbar bis 23.11.2025

Behördenmitarbeiter mit dem Tod bedroht

Ab August 2021 sei angeblichen Opfern staatlichen Handelns "Hilfe" angeboten worden. Der Betreiber der Kanäle habe hierbei die massenhafte Kontaktaufnahme mit Behörden durch Telefon und E-Mail organisiert, um diese zu Entscheidungen im Sinn der Mitglieder der Vereinigung zu zwingen.

Dabei seien die Behördenmitarbeiter mit "Reichsbürger"-Thesen konfrontiert, der Begehung von Menschenrechts- und Kriegsverbrechen bezichtigt, beleidigt und teilweise mit dem Tod bedroht worden.

Als Betreiber der Telegram-Accounts konnte ein 58-Jähriger aus Olching im Landkreis Fürstenfeldbruck bei München ermittelt werden, der im November 2021 festgenommen wurde. Er gilt als mutmaßlicher Rädelsführer der "Reichsbürger"-Gruppe.

Nach Angaben der Generalstaatsanwaltschaft München läuft gegen den Mann ein Verfahren am Landgericht München I. Die Razzia richtete sich nun gegen weitere Mitglieder der mutmaßlichen kriminellen Vereinigung.

Neben Datenträgern stellten die Ermittler außerdem eine Schreckschusswaffe und Reizstoffgeräte sicher, teilten das bayerische Innen- und Justizministerium in einer gemeinsamen Mitteilung mit. "Alle Beweismittel werden akribisch ausgewertet", sagte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU).

"Weitere Ermittlungen nicht ausgeschlossen"

Die Ermittler erhofften sich "eine weitere Aufhellung des Reichsbürgerumfelds". Weitere Ermittlungen seien nicht ausgeschlossen. Nach der Auswertung prüfe die Generalstaatsanwaltschaft in jedem Einzelfall, ob genügend Beweise für eine Anklage vorliegen. Bayerns Justizminister Georg Eisenreich (CSU) sagte: "Wer unseren Rechtsstaat leugnet und die Grenze zum Strafrecht überschreitet, muss jederzeit mit unangemeldetem Besuch von Polizei und Staatsanwaltschaft rechnen."

Letzte Razzia erst im Oktober

Erst im Oktober hatten Einsatzkräfte in mehreren Bundesländern zahlreiche Wohnungen sogenannter Reichsbürger durchsucht, die dem Umfeld der mutmaßlichen Terrorgruppe "Vereinte Patrioten" zugerechnet wurden.

Verfassungsschutz: 3.400 "Reichsbürger" in NRW

"Reichsbürger" bei einer Demonstration | Bildquelle: picture alliance/dpa/Christophe Gateau

Dabei wurden insgesamt fünf Verdächtige festgenommen. "Reichsbürger" sind Menschen, die die Bundesrepublik und ihre demokratischen Strukturen nicht anerkennen. Der Verfassungsschutz rechnete der Szene der "Reichsbürger und Selbstverwalter" 2022 deutschlandweit etwa 23.000 Menschen zu, 2.000 mehr als im Vorjahr.

Auch in NRW wächst die Zahl der "Reichsbürger und Selbstverwalter" und die damit einhergehende Bedrohung. Laut Verfassungsschutzbericht zählen etwa 3.400 Personen dazu, darunter auch Rechtsextremisten. NRW-Verfassungsschutzpräsident Jürgen Kayser macht vor allem der militante und waffenaffine Teil der Szene Sorgen.

Unsere Quellen:

  • Informationen der Nachrichtenagenturen dpa und afp